Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Rheingold

Titel: Rheingold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Grundy
Vom Netzwerk:
deine Botschaft.«
    »Bist du die Schwester des Burgunderführers Gunter?«
    »Ja.«
    »Diese Botschaft ist nicht für dich bestimmt. Ich muß sie Attila unter vier Augen überreichen. Geh, hole ihn und richte ihm aus, der Imperator habe eine Nachricht für ihn geschickt. Und komm nicht ohne ihn zurück.« »Was bildest du dir ein? Glaubst du, ich bin deine Sklavin? Jetzt verschwinde mit deiner Botschaft aus dieser Halle! Wenn du Attila so dringend sprechen möchtest, daß du seine Frau beleidigst, dann such ihn selbst!«
    Gudrun hatte sich auf die Zehen gestellt und schrie dem Römer ins Gesicht. Er preßte die Lippen zusammen, und seine Fingerknöchel um den Botenstab wurden weiß. Sie sah, wie er mit der anderen Hand eine Faust ballte.
    »Wage es nicht, mich zu schlagen. Dann bist du ein toter Mann«, warnte ihn Gudrun bebend vor Zorn. In den neun Jahren, seit sie in Attilas Halle lebte, hatte sie gelernt, daß es wenig half, wenn sie sich beherrschte. Die Hunnen erwarteten Selbstkontrolle vielleicht bei einem Mann, aber wenn eine Frau nachgab oder schwieg, sahen sie darin ein Zeichen von Schwäche oder Angst. »Raus! Oder ich werde dich eigenhändig umbringen und deine verfluchte Botschaft den Schweinen zum Fraß vorwerfen...«
    Gudrun wußte nicht, was geschehen wäre, wenn in diesem Augenblick nicht ihre beiden Söhne in die Halle gerannt wären. »Mama! Atta ist da!«
    Der Römer hob den Stab, drehte sich auf dem Absatz um und verließ die Halle.
    »Wer war das?« fragte Bleida, ihr älterer Sohn. »Ich mag ihn nicht«, erklärte Humla, »er sieht wie ein Römer aus.«
    »Er ist ein Römer, du Dummkopf«, erwiderte Bleida und stieß seinen Bruder so fest gegen die Schulter, daß er auf den Boden fiel. »Hast du nicht den Stab gesehen, den er in der Hand hielt? Ich wette, er kommt vom Kaiser. Ich wette, der Kaiser möchte, daß Atta für ihn in den Krieg ziehen soll.«
    Humla stand auf, sah seinen Bruder wütend an, dann stieß er Bleida den Kopf in den Bauch und umklammerte seine Beine. Die zwei fielen übereinander und rollten beißend und tretend über den Boden.
    Gudrun lief zu ihnen und trennte sie energisch. »Genug, Kinder! Wenn ihr kämpfen wollt, dann holt eure Übungsschwerter und kämpft draußen.«
    »Mit dem Schwert macht das keinen Spaß«, beklagte sich Humla, »er schlägt mich immer.« »Auf diese Weise lernst du etwas. Du lernst, beim Üben geschlagen zu werden, und im richtigen Kampf machst du keine Fehler mehr.«
    »Du wirst nicht geschlagen, wenn du mit uns übst.«
    »Frauen müssen nicht in die Schlacht ziehen.« »Wenn es so gut ist, geschlagen zu werden, dann könntest du doch mit Wolfhart üben«, meinte Bleida, »das wäre was ...«
    Gudrun sah ihren ältesten Sohn finster an, der sie spitzbübisch anlächelte. Beide Kinder hatten schwarze Haare wie ihr Vater, aber Bleida hatte blaue Augen und Humla braune. »Also gut! Holt Wolfhart, holt die Übungsschwerter, und ich werde euch zeigen, wie ich kämpfen kann.«
    »Mama wird kämpfen! Mama wird kämpfen!« jubelten die beiden und rannten davon.

    *

    Was soll das nur, dachte Gudrun, schob sich mit dem Handrücken der Schildhand einige Strähnen aus der Stirn und kämpfte verbissen weiter. Attilas Söhne standen an den Rändern des rechteckigen Übungsplatzes und sahen atemlos zu. Wolfhart lachte sie an und schien immer noch nicht erschöpft zu sein, obwohl sie wußte, daß sie ihm ein paar Treffer verpaßt hatte. Aber ihre Schulter schmerzte von dem einen Schlag, den sie nicht hatte abfangen können. Deshalb fiel es ihr schwer, den Schild zu bewegen. Außerdem zweifelte Gudrun nicht daran, daß er sich ritterlich zurückhielt.
    »Los, Mama, los!« feuerte sie Bleida an. Gudrun warf ihrem Sohn einen wütenden Blick zu und griff Wolfhart wieder an. Während sie den Schild hob, um die Schläge des Holzschwerts abzuwehren, und mit der eigenen Waffe Angriffspunkte und Blößen suchte, staunte Gudrun, wie wenig ihr Körper seit den Tagen vergessen hatte, als sie mit Gunter und Hagen geübt hatte. Sie mußte nicht über Schlag und Gegenschlag nachdenken. Der aufgestaute Zorn ließ das Drachenblut in ihren Adern glühen. Sie wurde immer schneller und schneller und sah, wie Wolfhart verblüfft die grünen Augen aufriß, als er ihre wütenden Angriffe parierte und rückwärts auswich. Aber auch seine Schläge wurden härter und trafen ihren Schild mit größerer Wucht, als habe er vergessen, daß er gegen Attilas Frau angetreten war. »Aus!«

Weitere Kostenlose Bücher