Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Rheingold

Titel: Rheingold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Grundy
Vom Netzwerk:
die Frage, über die alle anderen nur verstohlen sprachen. Noch nie hatte jemand gewagt, von Krimhild eine Antwort zu verlangen. Costbera hörte, wie Gudrun entsetzt die Luft anhielt. »Aus der Sippe von Lofanheid, Hreidmars Tochter, Erbin von Otturs Wergeld - und aus der Sippe der Nibelungen, den Kindern des Rheins«, zischte Krimhild. »Sei stolz, daß du sie geboren hast, denn keine Sippe ist mächtiger als wir.« Sie lächelte kalt und schloß vor Anstrengung die Augen. Ihr Atem ging rasselnd. »Gudrun, mäßige deinen Zorn. Wenn ich tot bin, wird niemand mehr wagen, danach zu fragen.« Sie lachte leise. »Meine Tochter, du wirst von unserer Sippe am längsten leben. Du hast Fafnirs Herz gegessen und stirbst nicht so schnell, denn in dir brennt noch immer sein Feuer. Höre mir gut zu!«
    Krimhild richtete sich auf. »Wenn deine Brüder getötet werden, dürfen sie nicht als Helden nach Walhall, und ihre Kraft können sie nicht an ihre Kinder weitergeben. Deshalb muß deine Rache furchtbar und ohne Gnade sein. Nur selten hat eine Frau die Pflicht, ihre Brüder zu rächen. Aber wenn mein Wirken Früchte trägt, dann wird das Schicksal einen anderen Lauf nehmen, und sie werden am Leben bleiben. Wenn nicht, dann zögere nicht, alles zu tun, was deine Rache verlangt. Dann wirst du so stark wie ein Krieger sein und mit dem Schwert in der Hand kämpfen. Schwöre mir das!«
    »Ich schwöre es«, Gudrun versagte die Stimme, und sie wurde bleich. Krimhild hustete heiser und erschöpft. Aber als Gudrun sie auf das Kissen sinken lassen wollte, hob ihre Mutter die Hand. »Noch etwas...«, flüsterte sie, »das Gold darf nicht den Rhein verlassen, kein Stück soll dem Hort verlorengehen. Auch deine Brosche und dein Ring gehören dazu. Ich weiß wohl, daß du nicht darauf verzichten wirst. Aber laß nicht zu, daß Attila das Gold in deinem Namen an sich bringt. Sigfrid hat es erbeutet und dir geschenkt, aber laß das Gold am Rhein, denn dort muß es bleiben.«
    Gudrun hob die Hand und blickte auf den Drachenring. »Ich schwöre es«, flüsterte sie. »Hagen«, Krimhild nickte ihrem Sohn zu, »tritt näher.«
    Hagen beugte sich über sie. »Du mußt das Begräbnisritual durchführen, was auch immer nach meinem Tod geschehen mag, denn der Sinwist ist nicht mehr, und nur du hast die Kraft dazu.«
    »Aber der Sinwist hat mich das Ritual nicht gelehrt«, erwiderte Hagen, »auch du nicht.«
    »Du weißt alles. Glaubst du, das sei mir entgangen?« Sie lächelte bitter. »Ich weiß, daß du von den Deinen die Riten der Toten besser gelernt hast als jeder andere. Mein Hügelgrab soll neben Gebikas liegen. Bring mich in einem geschlossenen Sarg mit meinen Pferden und einem Wagen in die grünen Welten der Götter. Du weißt besser als ich, was dann geschehen wird.«
    Krimhild schloß die Augen. Costbera glaubte, sie sei tot. Aber dann hob sich die Brust der Königin noch einmal, und sie hauchte kaum hörbar:
    »Verlaß nicht deinen Bruder, Hagen. In ihm lebt Gebika... und sein... früher Tod... soll mir weiterhin dienen.«
    Krimhilds Kopf sank zur Seite. Hagen nahm ihre Hände. Schweigend warteten sie.
    Plötzlich flatterte etwas durch den Raum und verschwand durch das Fenster. Costbera sprang auf und unterdrückte einen Schrei. »Ein Nachtvogel«, sagte Hagen. »Sie ist tot.« Er hob den Körper seiner Mutter hoch, drückte sie mit einem Arm an sich und schloß ihr mit der anderen Hand die Augen. »Wartet in dieser Kammer, bis ich zurückkomme«, sagte er, »jemand muß hier Wache halten.«
    Costbera hörte seine Stimme hohl von den Wänden widerhallen wie ein Echo in den Bergen. Sie wich an die Wand zurück, als er mit der Toten im Arm durch die hintere Tür ins Freie trat. Gudrun regte sich nicht und schwieg noch lange, nachdem die Tür ins Schloß gefallen war. Costbera sah, wie Gudrun sich immer wieder umblickte, als erwarte sie, daß in der Todesstunde ihrer Mutter noch etwas Seltsames geschehen werde. Aber alles blieb still. Schließlich hob Gudrun den Kopf und sah Costbera an. »Wie geht es deinen Kindern?« fragte sie.
    Costbera mußte lachen und konnte nicht mehr aufhören. Gudruns schlichte und ganz natürliche Frage löste bei ihr die schreckliche Spannung. Tränen traten ihr in die Augen, sie schluchzte und lachte gleichzeitig und rang nach Luft. Aber das Lachen hörte nicht auf,
    und Gudrun fürchtete, sie habe den Verstand verloren. Gudrun schlug ihr ins Gesicht. Costbera kam wieder zu sich. Sie wischte sich die Tränen aus

Weitere Kostenlose Bücher