Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Rheingold

Titel: Rheingold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Grundy
Vom Netzwerk:
traf an einem sonnigen Wintertag ein. Gudrun und die Goten in Dietrichs Truppe, die noch immer den Glauben ihres Volkes pflegten, hatten vor kurzem das Fest der Winternächte gefeiert.
    Gudrun zählte die Fässer anhand einer Liste, die Gunters Verwalter Rumold mitgeschickt hatte, und gab den Männern Anweisungen beim Entladen und Lagern der Weinfässer. Die Ernte am Rhein war in diesem Jahr sehr gut gewesen, und alle Männer in Attilas Heer würden den Winter über genug Wein haben, auch wenn sie viel tranken. Gudrun freute sich darüber, denn nichts wäre schlimmer, als wenn die Wein- und Biervorräte ausgingen, und sie wieder wie vor vier Wintern die vergorene Stutenmilch der Hunnen trinken mußten. Das Leben war nicht einfach, wenn der Schnee so hoch lag, daß alle Krieger ihre Zelte aus Tierhäuten verlassen mußten und in die große Halle kamen. Dann konnte Gudrun mit dem Wein aus Weinburg und Walburg Attilas Gefolgsleuten etwas Besonderes anbieten und damit für eine gewisse Zufriedenheit sorgen. »Frowe! Frowe!« rief ein junger Mann in ihrem Rücken. Gudrun drehte sich ungeduldig herum und hob ärgerlich die Liste und den angespitzten Kohlestift, als werde sie ihn damit schlagen. »Was ist los, Wolfhart? Du siehst doch, daß ich zu tun habe!«
    Hildebrands Neffe lächelte sie freundlich an und strich sich über den kurzen braunen Bart. »Ja, ich weiß, Gudrun, aber kannst du deine Arbeit nicht kurz unterbrechen? Da ist ein Römer gekommen, er sagt, er habe von Kaiser Valentinian eine Nachricht für Attila.«
    »Wenn er aus Rom kommt, dann ist er lange unterwegs gewesen und soll sich etwas ausruhen. Außerdem ist Attila mit seinen Reitern unterwegs. Ich glaube, sie wollten noch vor dem ersten Schnee einen Stamm angreifen, aber ich weiß nicht mehr welchen. Sag dem Römer, er soll sich setzen. Ich werde bald kommen.« Sie drehte sich um und sah, daß die Knechte mit den Fässern sie und Wolfhart anstarrten. »Los, an die Arbeit!« rief Gudrun den Männern zu. »Ihr bekommt erst etwas zu essen, wenn die Fässer verstaut sind.« Als Gudrun sich davon überzeugt hatte, daß die Fässer ordnungsgemäß entladen und in den Vorratshäusern hinter der großen Halle verschlossen waren, ließ sie den Knechten Essen und Getränke bringen. Sie strich sich zufrieden über die dicken Zöpfe und betrat die Halle.
    Der Bote des römischen Kaisers stand steif und regungslos vor Attilas Platz und hatte den Stab des Boten so fest wie eine Säule auf den gestampften Boden gestellt. Der Mann war größer und schlanker als die meisten Römer. Die olivbraune Haut spannte sich straff über die wie aus Marmor gemeißelten Züge eines Edelmanns. Er bewegte nicht den Kopf, als Gudrun vor ihn trat und ihn in ihrem besten Latein fragte:
    »Was führt dich in unsere Halle, Römer?«
    Der Bote rümpfte die Nase, als würden ihre Worte nach Knoblauch und ranziger Butter riechen. »Ich habe eine Botschaft, die ich König Attila persönlich überbringen muß«, erwiderte er auf gotisch, »kannst du mich zu ihm bringen oder mir sagen, wo ich ihn finde?«
    »Du mußt hier warten, bis er zurückkommt. Ich weiß nicht, wo er ist.«
    »Ich habe keine Zeit. Der Imperator hat mir aufgetragen, die Botschaft zu überbringen und sofort zurückzukommen.«
    »Du hast genug Zeit, um dich zu setzen und dich wie ein Gast zu benehmen! Wenn du Platz nehmen möchtest, werde ich dir Wein und etwas zu essen bringen. Dann schicke ich jemanden, um Attila zu suchen.«
    Der Römer stieß seinen Stab auf den Boden. »Ich bin nicht dein Gast und muß es nicht sein.« Er hielt eine Pergamentrolle in der Hand, die mit rotem Wachs versiegelt war. Gudrun sah das kaiserliche Siegel von Valentinian darauf. Sie kannte es gut, denn der Imperator hatte auch ihrem Bruder Gunter Botschaften überbringen lassen; die Verträge der Burgunder mit den Römern trugen ebenfalls dieses Siegel. Gudrun machte eine
    wegwerfende Bewegung, und der Römer herrschte sie an: »Das ist das Siegel des Kaisers. Du kannst vielleicht mir widersprechen, ihm nicht.«
    Gudrun mußte sich zusammennehmen, um den Mann nicht anzuschreien. Sie entschloß sich, wieder lateinisch mit ihm zu sprechen. Sie sprach sehr langsam, denn die fremde Sprache war ihr nicht so geläufig. Das half ihr, den wachsenden Zorn zu dämpfen. »Valentinian ist weit weg. Benimm dich wie ein gebildeter Mann, der du sein möchtest, und achte die Gastfreundschaft, die man dir bietet, während ich Attila rufen lasse, oder gib mir

Weitere Kostenlose Bücher