Rheingold
Gefolgsmann für mich kämpfst und mir dienst, als sei ich ein Drichten deines Volkes. Ich habe deine Treue nie mehr gebraucht als jetzt.«
»Ich schenke dir gerne mein Land und mein Leben, da ich die Treue geschworen habe, aber meine Seele schenke ich dir nicht. Ich habe den Burgundern einen heiligen Eid geschworen, und sie sind und bleiben meine Gäste.«
»Denke nicht nur an diesen Eid, sondern auch an deine Ehre. Deine Tochter kann immer noch Giselher heiraten, wenn er überlebt. Aber du hast mir geschworen, mit deinem Schwert an meiner Seite zu kämpfen. Vergiß nicht, nur meiner Gunst verdankst du es, daß du noch immer dein Land hast und deine Halle. Ich kann dir beides jederzeit nehmen. Ich kann dich töten, und deine Frau und deine Tochter meinen Kriegern überlassen.«
»Mein Drichten, nimm mein Land und meine Halle. Aber laß meine Familie und mich ins Exil gehen.«
»Wer soll mir jetzt helfen? Die Burgunder haben die meisten meiner Hunnen und alle römischen Söldner getötet. Ich werde dir mehr Land und Gefolgsleute geben, wenn du mich rächst. Du sollst als König neben mir regieren.«
Hagen hörte, wie ein Schwert gezogen wurde, und er wußte, es war Attilas Schwert.
Der Hunnenkönig rief mit lauter Stimme: »Ich schwöre bei meinem Schwert, wenn du deine Männer gegen meine Feinde dort in der Halle führst, werde ich deine Frau und deine Tochter so behandeln, als seien sie mein eigen Fleisch und Blut. Wenn du im Kampf fällst, soll Gotlind deine Halle behalten, und Garlind wird den besten und edelsten Mann bekommen, den ich für sie finden kann.« Dann sprach Attila leise weiter, so daß Hagen ihn kaum noch verstehen konnte. »Ich weiß, Rodger, ich muß dir nicht drohen, denn du bist ein ehrenwerter Mann.«
Als Hagen die Augen öffnete, sah er, daß sich Rodger mit ungefähr fünfzig seiner Gefolgsleute dem Eingang näherte. Vor der Halle zog er seinen Helm auf. Außer den Augenschlitzen war es ein einfacher grauer Helm ohne jeden Schmuck. Der Drichten hatte Gunter einen sehr viel besseren Helm geschenkt als den, den er selbst in der Schlacht trug.
»Jetzt wird meine Braut uns Glück bringen!« rief Giselher glücklich. »Seht ihr, Rodger kommt uns zu Hilfe.«
Folker sah ihn finster an. »Ich weiß nicht, warum du so fröhlich bist. Hast du schon einmal erlebt, daß ein Mann den Helm aufzieht, wenn er in friedlichen Absichten kommt? Rodger will sein Land und seine Halle mit einem Sieg über uns gewinnen.«
»Burgunder!« rief Rodger, und unter dem Helm klang seine Stimme wie die eines Fremden. »Ihr seid meine Freunde gewesen, aber jetzt muß ich unsere Bande brechen.«
»Unsere Götter und deine verbieten uns das«, sagte Gunter, ging zu Rodger und gab ihm den Helm zurück, den er ihm geschenkt hatte, »ich kann nicht glauben, daß du uns das antun willst.«
»Ich kann nicht anders. Ich muß gegen euch kämpfen, denn mich bindet ein Schwur. Verteidigt euch, wenn euch eurer Leben lieb ist. Attila zwingt mich dazu!«
»Es ist noch nicht zu spät für dich«, sagte der König der Burgunder. »Wenn du diesen Zwist zu einem friedlichen Ende bringst, wird dein Gott dich belohnen. Rodger, du bist ein Edelmann, denke an die Geschenke und an den Eid, der uns verbindet.«
»Ich würde euch gern noch einmal in meine Halle bitten. Ich wünschte, ihr wäret wieder am Rhein und ich in Ehren gestorben.«
Giselher trat vor Gunter und rief: »Rodger! Ich trage das Schwert, das du mir gegeben hast. Wenn du einen meiner Freunde oder Verwandten hier tötest, dann muß ich dir mit deinem Schwert das Leben nehmen und ich werde um dich mit deiner Tochter und deiner Frowe trauern.«
»Ich wünschte, daß alles schon hinter mir läge. Giselher, ich vertraue dir hiermit meine Frowe und meine Tochter an.«
Rodger hob seinen Schild und wollte angreifen, aber Hagen sagte: »Halt, Rodger! Was kann unser Tod deinem Drichten bedeuten, wenn wir jetzt noch Frieden schließen?«
»Es gibt keine Hoffnung auf Frieden«, erwiderte Rodger. Hagen zeigte ihm den geborstenen Schild mit dem Rabenkopf. »Sieh her, den Schild, den Gotlind mir gab, haben die Hunnen in Stücke geschlagen. Wenn die Götter mir einen Schild geben würden, der ebensogut ist wie dieser, dann würde ich nichts anderes brauchen, um mich im Kampf zu verteidigen.«
»Ich gebe dir gern meinen Schild... nimm ihn, Hagen. Ich freue mich, wenn du mit ihm zum Rhein zurückkehren kannst.«
Hagen trat aus der Halle und nahm Rodger den Schild vom Arm. »Die
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