Rheingold
verwundet und von den Kämpfen erschöpft. Ergebt euch, und ich sichere euch freies Geleit zu und bringe euch zum Rhein zurück.«
»Es wäre eine Schande, wenn wir uns ergeben. Noch leben wir, aber alle unsere Krieger und Verwandten sind gefallen«, erwiderte Hagen. »Aber ihr solltet jetzt den Frieden annehmen!« rief Hildebrand. »Stimmt den Bedingungen meines Drichten zu, denn ihr werdet keine besseren bekommen.«
»Ich laufe nicht einfach vor meinen Feinden davon wie du, Hildebrand!«
»Ich bin dem Ruf meines Drichten gefolgt, und ich...«
»Genug!« unterbrach ihn Dietrich. »Seid ihr zwei Krieger oder alte Waschweiber? Hagen und Gunter, meine Ehre und meine Krieger, die ihr getötet habt, zwingen mich, euch zum Zweikampf aufzufordern. Wer kämpft als erster gegen mich?«
Hagen setzte seinen Helm auf und hinkte aus der Halle. Der kalte Wind ließ Helm und Kettenhemd sofort so kalt wie Eis werden. Er nahm den Schild vor die Schulter, während Dietrich den Helm aufsetzte. Der Kampf schien endlos zu sein. Hagen verschwamm oft alles vor den Augen, während sie auf einander einhieben. Als Dietrich seinen Schwertgriff plötzlich mit beiden Händen faßte, sah Hagen, daß auch er nur noch den Griff des geborstenen Schildes in der Hand hielt. Er warf ihn Dietrich an den Kopf und hoffte, ihn damit abzulenken, aber der Griff prallte wirkungslos an dem Helm ab, ohne daß Dietrich davon Notiz nahm.
Nach einer Weile glaubte Hagen, schimmernde Funken um Dietrichs Kopf zu sehen. Der blasse Lichtstrom umtanzte die Lippen des Goten, als er rief: »Ergib dich, wenn dir dein Leben lieb ist!«
Hagen wankte rückwärts. Er konnte nicht mehr stehen oder sein Schwert heben, aber er schüttelte energisch den Kopf.
Dietrich ließ das Schwert fallen, sprang auf ihn zu und schlang die Arme um Hagen. Hagen rutschte der Helm über die Augen, Er versuchte, sich zu wehren, aber unter Dietrichs Gewicht fiel er auf den Boden. Er spürte noch, wie ihm Hände und Füße gefesselt wurden, dann verlor er das Bewußtsein.
*
Eiskaltes Wasser weckte Hagen. Durstig öffnete er den Mund, und als das Wasser ihn wieder traf, schluckte er dankbar. Man hatte ihm das Kettenhemd abgenommen und ihm einen dicken Fellmantel übergeworfen. Er öffnete mühsam die Augen und sah, daß Gunter und er in Attilas Halle lagen. Man hatte ihnen die Hände auf dem Rücken gefesselt. Die Toten waren hinausgetragen worden. Hagen glaubte, den Rauch eines Scheiterhaufens zu riechen. Gudrun sah er nicht, aber vor ihnen standen Dietrich und Hildebrand mit Attila und dem Schamanen.
Hinter ihnen hatten sich die wenigen Überlebenden von Attilas Kriegern versammelt. »Jetzt seid ihr meine Gefangenen«, sagte Attila und lachte triumphierend. »Gunter, jetzt wirst du mir sagen, wo Sigfrids Gold liegt. Dann schenke ich euch das Leben. Das Rheingold hat dir in all den Jahren wenig geholfen, aber es wird dir noch weniger helfen, wenn du tot bist und auch dein Bruder nicht mehr lebt.«
Gunter sah seinen Bruder stumm an. Hagen verstand den fragenden Blick und nickte.
»Es gibt keinen ehrenvollen Ausweg mehr«, sagte der König der Burgunder, »ich werde dir sagen, wo das Rheingold liegt.« Attila nickte und wollte ihm die Fesseln lösen. Gunter schüttelte den Kopf und flüsterte: »Aber zuerst muß ich das Herz meines Bruders vor mir sehen.«
Attila lachte laut und rief: »Hagen, hörst du, wie sehr dein Bruder dich liebt? Ich frage dich: Wo liegt das Gold? Wenn du es mir sagst, werde ich dir dein Leben und die Freiheit schenken. Ich überlasse dir deinen Bruder, dann kannst du dich rächen.«
»Gunter kann dir das Versteck verraten, wenn er das möchte. Ich kann ihn nicht daran hindern und erst recht nicht, wenn ich tot bin. Aber von mir wirst du nie erfahren, wo du das Rheingold finden kannst.«
»Bringt ihn hinaus!« rief Attila. »Schneidet ihm das Herz aus dem Leib, wie es sein Bruder will!«
Dietrich stellte sich vor die beiden Gefangenen. »Es ist unwürdig, zwei Krieger und Könige so zu behandeln. Ich möchte daran keinen Anteil haben. Töte sie, wenn du sie töten mußt, aber töte sie ehrenvoll und schnell, sonst werde ich es tun.«
Attila trat dicht vor ihn und sah ihn böse an. »Deine Krieger sind bis auf einen tot. Wieso glaubst du, mich zu etwas zwingen zu können?« Er trat einen Schritt zurück, zog das Schwert und setzte es Dietrich an die Kehle. Dietrich sagte ungerührt: »Töte mich! Aber dann werden nie wieder Goten deine Verbündeten sein.
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