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Rheingold

Titel: Rheingold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Grundy
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üppige Reize waren vergessen. Der große Mann im Bärenfell schob sich durch die Männer zum Baum und ließ die irische Magd verärgert zurück. Der Ring der Krieger um den Apfelbaum wurde etwas weiter, als sich Birnir den Bärenkopf seines Umhangs überstülpte. Er duckte sich und brummte gefährlich, bevor er sich mit einem schrecklichen Gebrüll auf den Schwertgriff stürzte. Der Schaum lief ihm aus dem Bärenmaul. Die Äste erbebten unter dem wilden Angriff, aber das Schwert rührte sich nicht, obwohl das Blut von Birnirs Händen den strahlenden Kristall befleckte. So plötzlich wie der Sturm begonnen hatte, war er vorüber. Birnir trat zurück, legte den Kopf schief und brummte: »Mir gehört es nicht«, dann schob er das Fell mit dem Bärenkopf in den Nacken. Der dünne Haarkranz um seinen kahlen Schädel war dunkel und naß, der dichte Bart ebenso. »Mir hat er es nicht zugedacht.«
    Mit einem tiefen Seufzen schwankte er zur Bank zurück und sank schnaufend neben Kaitlin nieder. Einer nach dem anderen - Gote und Sachse - zerrte, riß und fluchte bei dem Versuch, das Schwert aus dem Stamm zu ziehen, aber die Klinge saß fest in dem alten Holz. Schließlich waren nur noch Sigmund und Bertwini übrig. Sie standen am Rand der Menge. Sigmund sah seinen jüngeren Bruder fragend an. »Nein, geh du zuerst«, flüsterte Bertwini, »du bist der ältere.« Sigmund trat vor. Er wollte sich den Weg durch die riesigen Männer um ihn herum nicht erzwingen, deshalb ging er langsam und würdevoll, bis sie ihm auf eine Geste von Wals einen Weg freimachten. »Komm her, Sigmund!« rief sein Vater, »du bist an der Reihe.« Sigmund sah, wie Siglind sich auf die Bank stellte, um ihn zu sehen. Sie legte die schmalen Hände auf ihre blutbefleckte Brust. Wie ein heller Funken leuchtete etwas auf, als ihre Blicke sich trafen, und das Licht durchzuckte Sigmund, als er den vibrierenden Schwertgriff umfaßte. Er zitterte in seiner Hand wie nach einem heftigen Schlag, und sein Arm wurde bis zum Ellbogen gefühllos. Sigmund hielt das Schwert krampfhaft fest, während es mühelos aus dem schwankenden Apfelbaum glitt. Als die Klinge frei war, hielt er das Schwert hoch, und die erschreckende Wucht seiner Macht durchströmte seinen Arm und dann seinen Körper wie die Hitze von starkem Met. Ein schimmerndes Licht verschwamm vor seinen Augen. Es funkelte aus der gleißenden Schneide des Schwerts. Ein heftiger Wind rauschte über seinem Kopf, und er hörte, wie mit seiner Stimme in weiter Ferne ein unbekanntes Wort gerufen wurde. Das seltsame Wort scholl durch seine Seele und durch alle verborgenen Welten um ihn herum, und sein Echo hallte in Siglind eine Oktave höher wider. Langsam zog sich das Licht in die Schwertklinge und in Sigmunds Körper zurück und war nicht mehr zu sehen. Das Schwert vibrierte noch leicht in seiner Hand, als sei es zum Kampf bereit. Es war erstaunlich leicht und scharf, als er es zischend durch die Luft schwang und den Dampf aus dem Kessel teilte. »Er ist doch noch ein Junge«, sagte Siggeir ärgerlich und staunend. Der Drichten ging auf Sigmund zu. Dabei wanderte sein Blick von Siglind zu ihrem Bruder und wieder zurück. Dann lächelte er Sigmund selbstgefällig an. »Du bist der Zwillingsbruder meiner Siglind, nicht wahr?«
    Sigmund nickte und versuchte, den Blick auf den schlanken Siggeir vor sich zu richten. Er war von dem Wunder noch völlig benommen und nahm den Mann nur als einen undeutlichen Geist wahr. Seine Stimme klang wie das Summen einer Fliege, die in einem Krug gefangen ist. Für Sigmund besaßen nur das Schwert in der Hand und das Echo in seinem Kopf Wirklichkeit. Aber das Wunder war vorüber, und seine Augen gewöhnten sich langsam wieder an die fast dunkle Halle.
    »Was für einen Preis wäre dir dieses Schwert wert?« fragte ihn Siggeir. »Was immer es ist, Sigmund, ich kann es bezahlen. Willst du Gold? Männer für deine Schar? Ein wertvolles gotisches Schiff für Raubzüge? Was du auch willst, ich kann es dir geben.« Sigmund wollte und konnte Siggeir nicht sagen, daß er sich nichts anderes wünschte, als den Augenblick noch einmal zu erleben, als er das Schwert aus dem Baum gezogen hatte, dieses Gefühl unendlicher Macht und Weisheit, und dann das Licht, das wie ein Blitz seine Augen blendete und für alle Neun Welten öffnete. Statt dessen hieb er mit dem Schwert zischend durch die Luft. »Ich habe, was ich haben will«, erwiderte er schlicht. Er rechnete damit, daß Siggeir ihn herausfordern

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