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Rheingold

Titel: Rheingold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Grundy
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Seite ihres Mannes wartete. An einer Schulter trug sie eine neue goldene Brosche, die so groß war wie ihre Hand. Auf der Brosche funkelten wie kleine Katzenaugen wunderschöne grüne Edelsteine - Siggeirs Morgengabe für seine Braut. Als Siglind ihren Zwillingsbruder bemerkte, entfernte sie sich unbemerkt von den beiden Männern und lief zu ihm.
    »Warum brechen denn alle auf?« fragte Sigmund flüsternd seine Schwester. »Ich dachte, Siggeir wollte eine Weile bleiben, wie es sich gehört.«
    »Das war auch so verabredet, aber er behauptet plötzlich, auf der Stelle nach Gotland zurückfahren zu müssen. Er hat Vater eingeladen, in drei Monaten bei ihm zu feiern, um die Unhöflichkeit wieder wettzumachen, aber ...«, Siglind umarmte ihren Bruder so fest, daß sich die dicken Glieder ihrer Goldkette schmerzhaft in seine Brust bohrten. »Er will euch töten«, flüsterte sie. »Ich habe es Vater gesagt.
    Ich wollte sogar die Hochzeit rückgängig machen, aber Wals hat erwidert, er will den Schwur halten, den er Siggeir gegeben hat, und wenn ich eine echte Wälsungen sei, würde auch ich meinen Eid nicht brechen.«
    »Hat Siggeir dir etwas getan?« fragte Sigmund erregt und legte die Arme um seine Schwester.
    Sie schüttelte den Kopf, und die langen Locken fielen seidenweich auf seine Hände. »O nein. Er war gut zu mir. Er wird mir ein liebevoller Mann sein. Ich fürchte aber um dich und um Vater.« Sigmund lachte. »Ist das alles? Es gibt von Rom bis Finnland keinen Krieger, der sich mit Wals im Kampf messen kann. Das weißt du ebenso wie ich. Um uns mußt du dir keine Sorgen machen. Paß nur gut auf dich auf. Und er soll dich in Ehren halten, denn wenn er das nicht tut, werde ich dafür sorgen, daß er keinen Frieden mehr hat.« Mit Tränen in den Augen blickte Siglind ihren Zwillingsbruder an. »Du wirst mir fehlen, Sigmund. Ich weiß nicht, wie ich es ertragen soll, drei Monate zu warten, bis du mich im Norden besuchst, aber ... wenn es sich vermeiden läßt, komm nicht! Und wenn du kommst, sei wachsam und traue meinem Mann nicht. Warne auch Vater immer wieder. Ich glaube, er hat sich zu lange auf seine Stärke verlassen und völlig vergessen, daß Männer nicht nur im Kampf erschlagen werden können.«
    Sigmund lehnte sich an Siglind, wie er es immer getan hatte, und vergaß in diesem Augenblick, daß er ein erwachsener Krieger mit einem eigenen Schwert war und sie eine Frowe, in der vielleicht schon ein Kind heranwuchs. »Du wirst mir auch fehlen, Siglind. Aber die Zeit geht schnell vorbei. Warte nur...« Sie umarmten sich stumm.
    »Siglind«, hörten sie Siggeirs näselnden Ruf, »bist du bald soweit?«
    Langsam ließ Siglind die Arme sinken und drehte sich zu ihrem Mann um. »Einen Augenblick«, antwortete sie, »ich muß noch meine Sachen holen... Ich brauche ein paar Leute, die mir beim Tragen helfen.«
    Mit einer energischen Geste winkte Siggeir ein paar kräftige Goten herbei und befahl sie zu Siglind. Sie folgten ihr gehorsam aus der Halle zu dem Vorratshaus, wo die Truhen standen, die bestickte Leintücher enthielten, Kissen gestopft mit Gänsedaunen und angenehm duftenden Kräutern für einen tiefen Schlaf, Truhen mit Krügen, Bechern, Nadeln und all den anderen Dingen, die eine junge Frowe in ihrer neuen Halle brauchen würde. Siglind deutete auf alles, was an Bord der Schiffe gebracht werden sollte. Die Männer hoben die Holztruhen auf ihre Schultern und trugen die Aussteuer den sanften Wiesenabhang hinunter auf eines der Schiffe. Wals, Alflad und alle Brüder Siglinds, angefangen bei Sigmund, dessen neues Schwert im Gürtel an seiner Seite hing, bis zu dem kleinen dreijährigen Alfwald, der andächtig an seinem runden Däumchen saugte, erwarteten sie am Ufer. Die Tränen flossen nun ungehindert, als Siglind alle umarmte - zuerst ihren Vater, der so stark und so aufrecht war wie der Apfelbaum, dann die sanfte, liebevolle Alflad, Sigmund, der wie ihr eigener Körper war, wenn auch mit den harten Muskeln eines jungen Kriegers, und der jetzt wie sie zitterte in banger Erwartung und voll Kummer über das Schicksal, das sie so weit auseinanderriß, und vielleicht, weil er wie sie das verborgene Echo der Angst hörte, das wie Wellen in einer fernen Meereshöhle hallte. Siglind umarmte auch den knochigen Bertwini und schließlich den kleinen Alfwald.
    »Sigilinde geht«, rief er mit hoher Stimme. »Ist Sigilinde bald wieder da?«
    »Das hoffe ich, Kleiner«, antwortete sie, wischte sich die Tränen vom

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