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Rheingold

Titel: Rheingold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Grundy
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»du warst in den neun Jahren öfter im Süden als ich. Und jetzt laß mich in Ruhe, ich kann es nicht länger ertragen.«
    Tränen erstickten ihre Stimme. Siggeir kniete nieder, um ihr das Gesicht zu trocknen. »Meine Frowe, meine Geliebte, ich lasse dich in Ruhe, wenn du mir in einer Sache dein Wort gibst. Versprich mir, daß du nicht versuchen wirst, mit ihnen zu fliehen, sondern unseren Eheschwur hältst und mich nicht verläßt, was auch geschehen mag.«
    Siglind sah ihn unter Tränen an. Wie kann er das von mir verlangen? dachte sie. Er hatte die Lippen zusammengepreßt, und die Knöchel seiner Finger, die ihre Arme umklammerten, waren weiß. Siglind spürte, wie sehr Siggeir sich wünschte, sie liebe ihn noch immer. Weil sie Wals' Tochter war und der Vater ihr befohlen hatte, ihren Schwur nie zu brechen, umarmte sie ihn. »Ich verspreche dir, daß ich hierbleiben werde«, sagte sie leise, und ihre Worte fielen wie schwere Steine in das stille Wasser eines Brunnens. Siggeir küßte sie leidenschaftlich und drückte sie fest an sich, ehe er sie losließ. Teudorik erwachte und weinte, weil ihm die schützende Schulter seiner Mutter fehlte. Und sofort stimmte sein ebenfalls aus dem Schlaf gerissener Bruder in das klägliche Weinen ein.
    Siggeir lächelte. »Ich liebe dich, Siglind«, flüsterte er, »vergiß das nie.« Er erhob sich, griff nach den Handschuhen und dem Helm und kehrte zu seinen Leuten zurück.
    Siglind stand auf, klopfte den Rost seines Kettenhemds von ihrem weißen Kleid ab und bewegte die erstarrten Glieder. »Kommt mit, Kinder«, sagte sie und hob ihre Söhne hoch, »zumindest im Augenblick kann uns nichts geschehen. Außerdem muß eure Mutter hinter einen Baum gehen.«
    »Werden wir kämpfen?« fragte Teudorik wieder munter. »Heute nicht«, erwiderte Siglind so bitter und hart, daß die beiden erschrocken schwiegen. Gehorsam verließen sie mit ihr die Halle durch den hinteren Ausgang. Dort auf der anderen Seite des Bergs sah man weder das Meer noch die Schiffe.
    Siglind kauerte hinter dichten Sträuchern, um sich zu erleichtern. Sie fühlte sich benommen und war verwirrt. Sie hatte Siggeir belogen, weil sie Wals helfen wollte, der offenbar eine Ausrede benutzt hatte, um auf dem Schiff zu bleiben. Aber warum hatte sie das getan? Warum hatte Siggeir sich nach der Anzahl der Schiffe erkundigt? Sie lächelte und dachte: Bestimmt ist ein Teil von Wals' Flotte im Sturm abgetrieben worden. Wenn seine Streitmacht groß genug ist, wird Siggeir ihn bestimmt in Frieden empfangen. Auch wenn er insgeheim wütet, so ist er doch nicht so verrückt, Selbstmord zu begehen, nur weil er sich rächen will - oder Sigmunds Schwert haben möchte. Nertuz, flehte Siglind, treibe Wals' Schiffe schnell her, bevor sein Stolz ihn ans Ufer kommen läßt, wo ihn der Tod erwartet. O ihr gnädigen Götter, laßt den Wind günstig wehen, damit all das, was geschehen ist, nicht mit dem Tod meines Vater und meiner Brüder endet... Siglind blickte nach Süden, zum Himmel über dem Meer, und hoffte auf ein Zeichen, daß ihr Flehen von den Göttern erhört worden war; sie hoffte auf eine frische Brise, aber der Himmel blieb klar und still wie eine große leere Schüssel.
    Nach einer Weile rief sie ihre Söhne und ging mit ihnen in die Halle zurück. Dort erwartete Kara sie mit einem gefüllten Trinkhorn in der Hand. Siglind war im Laufe der Jahre stärker und selbstsicherer geworden. Sie hatte gelernt, sich vor Karas Blick zu schützen, und die Angst vor Siggeirs Mutter war vernarbt wie eine alte Wunde; nur eine gewisse Vorsicht war geblieben. Als sie jetzt die alte Frau betrachtete, verstand sie nicht ganz, weshalb sie jemals so große Angst vor ihr gehabt hatte. Im fahlen Licht, das durch die kleine Tür fiel, wirkte Kara plötzlich verwelkt und ausgemergelt; die frühere, gefährliche Kraft schien von ihr gewichen, ausgelaufen wie Bier aus einem Faß. Es sah aus, als sei das dunkle matt schimmernde Trinkhorn beinahe zu schwer für ihre zitternden Hände.
    »Trink das, Siglind«, krächzte die Alte, »die Götter wissen, du brauchst etwas zur Beruhigung.«
    Dankbar nahm Siglind das Horn aus der Hand ihrer Schwiegermutter entgegen und hob es an die Lippen. Süßer Malzduft stieg ihr in die Nase, aber auch ein schwacher, bitterer Geruch, und sie ließ das Horn wieder sinken. »Was hast du hineingetan?« fragte sie. »Krauter zur Beruhigung, für gute Träume und einen angenehmen Schlaf - dieselben Kräuter wie für Harigast, als er

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