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Rheingold

Titel: Rheingold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Grundy
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Stamm des Apfelbaums gestoßen hatte. Sie richtete sich auf und zwang sich zu einem Lächeln. Sigmund würde das Schwert bestimmt brauchen, denn dafür hatte er es bekommen.
    »Wenn das Schlimmste eintrifft«, sagte sie ruhig, aber laut genug, daß auch ihr Vater es hörte, »wenn der Kampf schlecht ausgeht, und du - oder einer von euch - flieht...«, sie holte tief Luft und fuhr dann fort, »genau nördlich von Siggeirs Feste, nicht allzu weit entfernt, befindet sich im Wald ein großer Grabhügel aus weißen Steinen. Die Menschen meiden ihn, denn an dieser heiligen Stelle wurde einer der alten Erulier begraben, bevor sie nach Süden zogen. Tagsüber ist es dort sicher, wenn man nicht zu lange bleibt. Ich werde Proviant dort verstecken und alles, was euch von Nutzen sein kann. In den Bergen weiter im Norden gibt es viele Höhlen. Siggeir hat jedes Jahr Schwierigkeiten mit Ausgestoßenen und Trollen, aber es gelingt ihm immer nur, die Straßen freizuhalten, denn es gibt zu viele Höhlen, und sie liegen zu gut versteckt. Ein Trupp Krieger kann sich in dieser Gegend leicht verschanzen, wenn es sein muß.«
    Wals nickte ernst. »Gut zu wissen, obwohl ich wohl kaum dorthin fliehen werde. Geh jetzt zu deinem Mann zurück, Siglind. Du hast getan, was in deinen Kräften stand. Deine Mutter kann stolz auf dich sein.«
    Siglind umarmte ihren Vater noch einmal, dann hob Sigmund sie über die Bordwand und ließ sie vorsichtig in das kleine Ruderboot hinunter. »Kommst du allein zurück?« fragte er leise. »Ich schaffe es schon«, antwortete sie und biß vor Schmerz die Zähne zusammen, als sie die Ruder umfaßte und die Blasen an den Händen brannten. Sie stieß sich von Wals' Schiff ab, zog die Kapuze ihres dunklen Umhangs über die blonden Haare und ließ sich von den Wellen am Ufer entlangtreiben, bis sie außer Sichtweite der Wächter war. Dann ruderte sie, bis Sand unter dem Boot knirschte. Sie sprang ins Wasser, watete ans Ufer und stieg langsam den Hügel hinauf, bis sie schließlich in den Wald kam und auf dem vertrauten Pfad die Rückseite der Halle erreichte.

    *

    Siglind erwachte in der dunklen und leeren Kammer, Von draußen drang undeutlich Schlachtenlärm herein. Holz und Stein dämpften das Schreien von Männern und das Klirren von Eisen, so daß es wie das Rauschen des Meeres klang. Schnell zog sie ein wollenes Untergewand über und rannte nach draußen. Der Tau kühlte ihr die Füße, und der morgendliche Dunst legte sich feucht auf die nackten Arme und das Gesicht. Durch die Nebelschleier sah sie weiter unten die Gestalten kämpfender Männer im Kornfeld, aber sie konnte nicht erkennen, wer gegen wen kämpfte. Sosehr sie sich auch bemühte, sie entdeckte weder Sigmund oder Siggeir im Getümmel.
    Siglind umfaßte fest den Dolch ihrer Mutter, schloß die Augen und versetzte sich mit ihrer ganzen Willenskraft an Sigmunds Seite. Im nächsten Moment glaubte sie, über dem Feld zu schweben, wo rotes Blut in der Erde versickerte - Blut, das von Sigmunds Schwert rann. Sein Helm war verrutscht und ein Teil des Nackens unbedeckt. Plötzlich tauchte Siggeir hinter Sigmund auf, der gerade einen Gegner mit dem Schwert durchbohrte. Siglind spürte, wie sie ihrem Mann in den Arm fiel, um den tödlichen Streich zu verhindern, zu dem er ausholte, aber sie konnte den Schlag nur ablenken, und das Schwert traf Sigmunds Helm und nicht den Nacken. Der klirrende Aufprall versetzte sie wieder zurück auf ihren Platz, und sie sank mit einem stechenden Schmerz im Hinterkopf auf die Erde. Nach einiger Zeit richtete sie sich zitternd und benommen im nassen Gras auf. Dann schleppte sie sich krank vor Kummer in ihre Kammer zurück und wartete dort in dumpfer Ohnmacht, bis das Getöse erstarb.
    Plötzlich hörte sie Schritte in der Halle. Sie hob den schmerzenden Kopf, als Siggeir mit einer Fackel in der Hand durch die Tür trat. Sein Kettenhemd war blutverschmiert, aber unbeschädigt. Er geht zu schnell, um verwundet zu sein, dachte sie. Aber um seinen Schwertarm trug er ein schmutziges Band. Der helle Kristall von Sigmunds Schwertgriff glänzte über seinem Gürtel. »Mein Bruder?« fragte sie, »alle meine Brüder... ?«
    »Noch leben sie«, erwiderte Siggeir, »Sigmund wurde am Kopf getroffen. Wir haben die anderen gezwungen, sich zu ergeben. Wals ist kämpfend gefallen. Ich verspreche dir, er wird einen Scheiterhaufen bekommen, der seiner würdig ist«, fügte er schnell hinzu. »Ich werde den Vater meiner Frau nicht entehren - und

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