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Rheingold

Titel: Rheingold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Grundy
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einen so edlen Helden erst recht nicht.«
    »Was willst du mit meinen Brüdern tun?« Siggeir wandte den Blick ab und starrte in die Flamme der Fackel, die er in der Hand hielt. »Bitte«, flehte sie sanft, und er sah sie unsicher an, »bitte töte sie nicht auf der Stelle. Wenn du sie nicht freilassen willst, dann binde sie an einen Baumstamm im Wald und überlasse sie den Göttern. Aber es darf nicht mehr Blut unter Verwandten fließen, um den Fluch auf unser Haus nicht noch zu vergrößern.« Sie schwieg und fügte dann unter größter Selbstüberwindung hinzu: »Ich flehe dich an, vergieße ihr Blut nicht.«
    »Ich soll sie fesseln, damit du sie befreien kannst?« fragte Siggeir finster. »Oder möchtest du, daß sie vor dem Tod noch mehr leiden?« Er blickte auf Siglind, die verzweifelt zu seinen Füßen lag. Er betastete den Verband an seinem Arm, zuckte vor Schmerzen zusammen und murmelte: »Einer hat mich vielleicht zum Krüppel gemacht...« Siglind hörte seine nächsten Worte so deutlich, als habe er sie bereits ausgesprochen, obwohl seine Lippen weiß wurden, weil er sich zwang zu schweigen: Und du denkst nur an sie, ohne nach mir zu fragen, obwohl du siehst, daß ich verwundet bin. »Weil du darum bittest«, erklärte Siggeir schließlich, »soll es so sein. Aber du mußt schwören, daß du nicht versuchen wirst, sie zu sehen oder zu befreien. Ich werde ihnen sagen, es war dein Wunsch. Wenn sie dich nach ein paar Tagen verfluchen werden, dann ist es nicht meine Schuld. Willst du das wirklich?«
    »Ich will es«, sagte Siglind entschlossen. In ihrem Herzen begann ein Hoffnungsfunke zu glühen, obwohl sie nicht wußte, was sie für ihre Brüder würde tun können. »Dann schwöre.«
    »Ich schwöre, daß ich nicht versuchen werde, meine Brüder zu sehen, während sie gefesselt im Wald sitzen. Ich werde auch nicht versuchen, sie zu befreien. Möge Wotan meine Worte hören.« Ihre Stimme versagte, aber sie zwang sich, weiterzusprechen, »ich, Wals' Tochter, schwöre es«.
    »Gut«, sagte Siggeir. »Möchtest du den Leichnam deines Vaters selbst für die Flammen vorbereiten, oder soll ich jemanden damit beauftragen? Ich werde von dir nicht verlangen, beim Fest heute an meiner Seite zu sitzen, wenn du es nicht willst.«
    »Ich werde mich um den Leichnam meines Vaters kümmern und beim Fest neben dir sitzen. Es wird heute abend auch ein Leichenmahl für alle anderen sein, die gefallen sind. Und es wäre kaum eine Ehre für die Toten, wenn sich die Frowe der Halle düster in eine Ecke verkriechen würde.«
    »Richtig. Die Männer sollen dir helfen und bringen, was immer du brauchst. Ich gehe zum Haus meiner Mutter, damit sie meinen Arm behandelt.« Siggeir drehte sich um und wollte gehen, blieb aber stehen und kam zurück. »Könntest du mir helfen, das Kettenhemd abzulegen?«
    Siglind nahm ihm die Fackel aus der Hand und steckte sie in eine der Halterungen. Siggeir beugte sich vor. Der Schwertarm hing steif an seiner Seite. Sie zog ihm vorsichtig das Kettenhemd über die Schulter und hielt es hoch, damit er den verletzten Arm herausziehen konnte. Er biß sich auf die Lippen, und sein Gesicht wurde blaß, als das Eisen die Verletzung streifte, aber er gab keinen Laut von sich. »Danke«, stieß er schließlich fast tonlos hervor und ging hinaus. Siglind wartete ein paar Herzschläge, ehe sie ein warmes Kleid überzog und ihre Schuhe band. Der Nebel hatte sich etwas gelichtet, aber es war ein grauer kalter Tag. Überall im Kornfeld lagen Leichen. Die Halme waren niedergetrampelt, als hätte ein schrecklicher Hagelsturm alles niedergemäht. Einige von Siggeirs Leuten trugen die Gefallenen bereits zum Verbrennungsplatz. Sie nahmen den Toten die Waffen und den Schmuck ab, die auf zwei Haufen gelegt wurden - die Familien von Siggeirs toten Gefolgsleuten behielten die wertvollen Dinge, oder sie wurden mit den Toten auf dem Scheiterhaufen verbrannt, wenn die Angehörigen es so wollten. Alles Eigentum von Wals' Männern würde man unter die Sieger verteilen. Siglind ging langsam über das Schlachtfeld. Sie erkannte ein paar von Siggeirs Männern. Da war der kleine blonde Hewageir, der im letzten Jahr geheiratet hatte. Ihn durchbohrte ein Speer. Arnuwulf lag in seinem Blut. Er war vor einer Blutfehde in Norwegen geflohen. Sie sah auch den starken Bauern mit der Rune über der einen Augenbraue. Seinen Namen kannte sie nicht, aber er hatte immer Honig und Kuchen von seiner Frau für Teudorik und Harigast gebracht. Sein

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