Rheinsteigmord - Kriminalroman
alles Weitere besprechen.« Er legte einfach auf.
Die Offenbachstraße war Teil des ruhigen Godesberger Villenviertels. Zwischen Alleebäumen parkten Autos. Es roch nach Laub und Gras. Wenn man sich darauf konzentrierte, konnte man sogar den süßlichen Duft des nahen Rheins erahnen.
Das Haus, in dem Frau Friesdorf wohnte, war ein moderner vierstöckiger Block, der aus dem Schema der gründerzeitlichen Herrlichkeit herausfiel. Balkone in jeder Etage. Tiefgarage. Fred klingelte, nannte seinen Namen, und Frau Friesdorf erklärte ihm über die Gegensprechanlage, er solle mit dem Fahrstuhl in den zweiten Stock fahren.
Sie erwartete ihn oben vor der geöffneten Wohnungstür. Fred schätzte sie auf Ende sechzig. Lockiges weißes Haar, eine Brille mit großen runden Gläsern und breiter Fassung. Eine rosa Strickjacke, deren obere Knöpfe Frau Friesdorf oben zusammenhielt, als würde sie frieren.
»Herr Spalowsky?«
»Mein Name ist Bleikamp. Ich bin … der Partner von Herrn Spalowsky.«
»Sein Mitarbeiter?« Sie sah ihn misstrauisch an, als habe sie etwas geliefert bekommen, was sie nicht bestellt hatte.
»Wir arbeiten zusammen«, stellte Fred klar.
Sie bat ihn herein. Der Wohnzimmerboden glänzte. Er bestand aus einem polierten Stein, den Fred für Marmor hielt. Die Balkontür stand offen. Sie ging auf eine Rasenfläche hinaus, die weiter hinten von hohen alten Bäumen begrenzt wurde. Vögel keckerten irgendwo in den Zweigen. Auf dem kleinen Balkon drängten sich ein Stuhl und ein Tisch. Eine Zeitschrift und ein Stift lagen darauf. Die Kreuzworträtselseite war aufgeschlagen.
»Möchten Sie hier Platz nehmen oder draußen?«, fragte Frau Friesdorf.
»Gern hier drin. Unser Gespräch ist ja vertraulich. Vielleicht sind Nachbarn auf dem Balkon.«
»Da haben Sie recht.«
Beethovens Fünfte donnerte los. Das Display zeigte Charlys Namen.
»So klopft das Schicksal an die Pforte«, sagte Frau Friesdorf. Gebildete Frau, dachte Fred. Aber hier in der Beethovenstadt war es nicht erstaunlich, dass sich ältere Leute mit dem großen Komponisten auskannten. Und mit dem Thema seiner Schicksalssinfonie.
Fred drückte die Hammerschläge weg und ließ den Finger lange auf der roten Taste ruhen. Nun war das Telefon aus.
»Ich bin ganz Ohr«, sagte er. »Wie kann ich Ihnen helfen?«
Ein Glück, dachte Fred, als etwa zwei Minuten vergangen waren. Das war genau die Art von Auftrag, die er gebraucht hatte. Ein Hinhalteauftrag, mit dem man gut Geld machen konnte, bis er sich nach einer Weile vermutlich von selbst aufklären würde. Nicht auszudenken, was es bedeutet hätte, wenn Charly ans Telefon gegangen wäre. Er hätte ihm weiter den Hungerlohn bezahlt und das wunderbare Honorar für sich selbst eingestrichen, da war Fred sicher.
»Ich habe ihn das letzte Mal vorige Woche gesehen«, sagte Frau Friesdorf. »Er ist oft unterwegs. Zwischendurch ruft er mal an. Das hat er diesmal auch getan. Vorgestern, wenn ich mich nicht irre. Oder war es der Tag davor? Oder gestern?« Sie sah ihn hilflos an. »Ich weiß es nicht mehr genau.«
»Das kriegen wir schon raus, Frau Friesdorf. Wo ist Ihr Mann denn hingefahren?«
»Ich glaube, nach Holland. Oder Frankreich. Es könnte auch Belgien gewesen sein.«
»Das ist aber keine sehr genaue Angabe. Ist er mit dem Wagen unterwegs?«
»Nein. Natürlich nicht.« Sie sah ihn an, als wäre es sonnenklar, dass Herr Friesdorf nicht mit dem Auto fuhr. »Er fährt immer mit dem Zug.«
»Geschäftlich?«
»Aber junger Mann, er ist doch bereits pensioniert. Er ist zwei Jahre älter als ich.«
»Und das heißt?«
Sie lächelte und hatte plötzlich etwas von einem kleinen Mädchen, das miterlebt, wie sich jemand ungehörig verhält. »Na, hören Sie mal …«
Fred versuchte es anders. »Was wollte Ihr Mann denn in Holland, Belgien oder …?«
»Frankreich.«
»… oder Frankreich tun?«
»Forschen. Er ist Historiker. Pensionierter Historiker. Professor. Früher war er an der Bonner Universität.«
»Er ist also auf einer Forschungsreise?«
»Er kann es nicht lassen. Er interessiert sich eben immer noch für die Geschichte. Das ist sein Leben.«
»Das heißt, er war in Frankreich, Holland oder Belgien und hat dort etwas besichtigt? Oder er hat jemanden besucht? Einen anderen Forscher vielleicht? Oder ein Archiv? Wer oder was könnte denn sein Ziel gewesen sein?«
»Ich habe keine Ahnung, Herr Bleikamp. Wissen Sie, mich selbst interessiert das nicht so. Er fährt halt immer in der Gegend
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