Rheinsteigmord - Kriminalroman
unüberlegtem Handeln. Sie hatte den Zeugen befragt, hatte erfahren, dass das Opfer Streit gehabt hatte, öffentlichen und ernsten Streit mit seinem ehemaligen Geschäftspartner. Sie hatte durchaus richtig gefolgert, dass dieser somit zu den Hauptverdächtigen gehörte. Natürlich hätte sie Rücksprache mit ihrem Vorgesetzten halten müssen, statt einfach zu besagtem Verdächtigen zu fahren und ihn zu konfrontieren. Aber sie hatte sich die Sache zugetraut, hatte ihm beweisen wollen, dass sie einer solchen Befragung allein gewachsen war. Das konnte man ihr vorwerfen, aber man musste nicht, fand Wörner.
Was genau sich abgespielt hatte, war ihm allerdings nach wie vor nicht klar. Sophie hatte lediglich tränenreich versichert, dass sie komplett versagt und alles ruiniert habe. Das war nicht von der Hand zu weisen, denn der Verdächtige war nun ein flüchtiger Verdächtiger.
Aber sie hatte es gut gemeint. Und ihre Verzweiflung zeigte deutlich, dass sie ihren Fehler einsah und sicherlich daraus lernen würde.
Bei diesem Gedanken hieb er seine Faust unvermittelt aufs Lenkrad. Wie machten sie das nur, die Weiber? Wie konnte es sein, dass immer er derjenige war, der tröstete, versicherte, dass alles halb so schlimm sei? Obwohl natürlich ihm am nächsten Morgen die Packung vom Chef bevorstand. Obwohl es tatsächlich nicht halb, sondern eher doppelt so schlimm war. Gott, er hasste heulende Frauen!
Er ließ das Seitenfenster nach unten. Kalte Luft strömte ins Wageninnere. Obwohl die Tage warm und schön waren, wurde es noch empfindlich kühl, wenn die Sonne unterging. Er schälte sich trotzdem aus dem Jackett, warf es auf die Rückbank.
Es half nicht, sich zu ärgern. Möglicherweise kehrte dieser Reuter schon heute Abend nach Hause zurück. Flucht als Kurzschlussreaktion, so etwas kam vor. Und morgen wäre alles in Ordnung und Sophie ganz die Alte, übermotiviert, überfröhlich und überduftend.
Maiglöckchen! Er seufzte. Erinnerte sich kurz und am Rande daran, wie Britta roch. Ein bisschen zitronig, wenn sie aus der Dusche kam. Nach Erde und Kräutern, wenn sie im Garten gearbeitet hatte. Irgendwie immer ein bisschen anders, immer gut, außer vielleicht wenn sie vom Joggen kam.
Er schob den Gedanken beiseite. Es war ihm schließlich völlig egal, wie Britta roch. Sie mochte olfaktorisch tadellos daherkommen, trotzdem war sie letztlich neurotisch und anstrengend. Eine Frau eben, eine, die man nicht verstand. Eine, die um ein Haar sein Herz gebrochen hätte.
Es war gut, dass die Sache vorbei war. Und dass er manchmal, so wie jetzt, aus Versehen ein winziges bisschen an sie dachte, hatte nichts zu sagen. Er war halt ein Gewohnheitstier. Gewöhnte sich schnell an honigblonde Haare, die in der Sonne schimmerten. An lautes, irgendwie ein bisschen unanständiges Lachen. An wohltuend langweilige Abende zu zweit, an die Gesellschaft einer Person, die beim Lesen die Nase runzelte, sie irgendwie krauste, sodass sie aussah wie ein winziger, entzückender Blumenkohl.
Es hupte hinter ihm. Wörner schreckte auf, zeigte dem Rückspiegel reflexartig den Mittelfinger. Bedauerte das sofort, ahnte er doch, dass er nicht wirklich den mahnenden Huper gemeint hatte. Er gab Gas, bevor der von ihm Beleidigte weitere Schritte in Erwägung ziehen konnte.
Es war Zeit, dass er nach Hause kam.
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