Rheinsteigmord - Kriminalroman
schlafen ihm aufgetragen war, verschmähte und seinen plumpen Leib ausladend auf dem Sofa positioniert hatte, hob den Kopf und knurrte sie kurz an, bevor er sich ausgiebig kratzte und zurück in die richtige Schlafposition ruckelte.
Margot ließ sich in der freien Ecke nieder und griff nach der Zeitschrift, in der sie bis eben gelesen hatte. Sie schlug eine Seite um. Seufzte erneut.
Britta kämpfte einen Moment wacker gegen die Neugier. »Was war das denn?«, gab sie sich dann geschlagen.
»Nichts«, erwiderte Margot. Seufzte ein drittes Mal. »Till«, sagte sie dann. »Ach, so ein guter Junge ist das!«
Britta schwante Übles. Wenn Margot eine Geschichte derart von hinten durch die Brust ins Auge begann, war Vorsicht geboten.
»Was ist los? Jetzt sag schon.«
»Sein Onkel ist weg!«, platzte Margot heraus.
Brittas leises Unbehagen ballte sich zu einer Warnleuchte. Einer, die gelb blinkte.
»Wie – weg?«
»Weg eben. Abgehauen. Getürmt. Fersengeld gegeben. Wie man halt so sagt.«
Das Gelb der Warnleuchte verdunkelte sich in Richtung Orange.
»Saublöde Sache, das«, fuhr Margot fort. »Einfach abhauen, wenn man unter Mordverdacht steht.«
»Mordverdacht?« Britta atmete durch. Tief. Und ruhig.
»Ja. Dabei weiß doch jeder, wie simpel Bullen gestrickt sind. Das werten die als Schuldeingeständnis, garantiert. Saublöd. Superblöd. Echt wirklich blöd!«
Britta nickte. »Oh ja. Supersaublöd. So eine supersaublöde Sache, so eine, bei der man nur froh sein kann, dass man nichts damit zu tun hat.«
Margot starrte auf die Zeitschrift. »Oh ja«, murmelte sie. »Schön, dass wir uns einig sind.«
Britta warf ihr einen strengen Blick zu. »Mich macht das wirklich froh, denn ich dachte eben ganz kurz, ich hätte etwas anderes gehört. Sätze wie ›ich kümmere mich darum‹. Oder ›gleich morgen früh‹. Stell dir vor, das hätte ich doch um ein Haar völlig missverstanden.«
»Du belauschst meine Telefonate?«
»Zwangsläufig. Wenn du neben mir stehst und in den Hörer plärrst! Aber lenk nicht ab. Was sollte das?«
»Das? Ach das …« Margot sah Britta in derart verlogener Unschuld an, dass die Warnleuchte auf Rot schaltete. »So was sagt man halt in so einem Fall. Ich bin ein netter Mensch. Eine gute Freundin. Und wenn ein reizender junger Mann anruft, der völlig außer sich ist, weil er dringend Hilfe braucht, dann ist man nett. Wenn man einen Funken Mitgefühl im Leib hat, wenn man versteht, was es bedeutet, wenn ein Angehöriger unschuldig des Mordes verdächtigt wird.«
»Woher willst du wissen, dass er unschuldig ist?« Britta wurde nicht laut, aber doch laut genug, dass Louis’ Kopf nach oben ruckte. Er kläffte unwillig, wuchtete den kurzen, massigen Körper auf die krummen Beine und sprang vom Sofa. Beleidigt schlich er in Richtung Küchentür. Vermutlich um sich mit einem kleinen Abendsnack zu beruhigen.
»Das ist doch offensichtlich. Er ist der Erste, den sie verdächtigen. Und der war es nie. Das kennt man doch aus dem Fernsehen.«
Britta sah von dem Vortrag über Realität und Fiktion, den sie an dieser Stelle hätte halten müssen, ab. Wusste sie doch, dass ein solcher an Margot verschwendet gewesen wäre. Fast ein Jahr war es nun her, dass sie damit beauftragt worden waren, ihren verschwundenen Arbeitgeber, den Schnapsfabrikanten Walter Hutschendorf, zu suchen. Dass der am Ende der Geschichte wohlbehalten wieder aufgetaucht war, war nicht wirklich das Ergebnis hochklassiger Ermittlungsarbeit, sondern einer Melange aus Glück und Zufall geschuldet gewesen. Genau wie der Umstand, dass Britta nebenher herausgefunden hatte, wer ihr leiblicher Vater war.
Ein Wissen, das ihr Leben auf unangenehme und anstrengende Weise in Unordnung gebracht hatte. Dafür konnte Margot natürlich im Grunde nichts, aber die Sache war schwer zu sortieren. Brittas ganzes Leben war viel zu kompliziert im Moment, und manchmal neidete sie Margot die Fähigkeit, die Welt einfach so zu sehen, wie es ihr passte. Sie hielt sich seit besagter Episode für ein kriminalistisches Ausnahmetalent und inserierte ihre Dienste als Ermittlerin sogar in der örtlichen Presse. Bislang dankenswerterweise ohne nennenswerte Nachfrage.
Britta versuchte, das unheilvolle Prickeln auf ihrer Kopfhaut zu ignorieren. Margot blickte angelegentlich in die Zeitschrift, befeuchtete dann ihren Zeigefinger und blätterte um.
»Margot!«
»Ja?« Sie sah hoch, tat so, als sei sie tief versunken gewesen.
»Dieser Mann braucht einen
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