Rheinsteigmord - Kriminalroman
Zimmer.
Die helle Decke über ihm war fast zum Greifen nah. Sie schien aus Plastik zu bestehen. Fred bewegte sich und sah, dass die Begrenzungen des kleinen Raumes links und rechts noch näher bei ihm waren.
Oben gab es ein Fenster aus Milchglas. Dahinter bewegte sich etwas. Als würden Dinge vorbeifliegen.
War er in einem Flugzeug?
»Hamm«, stöhnte Fred. Da war ein süßlicher Geschmack in seinem Mund. Und es roch komisch. Nach Chemikalien. Wenigstens war der eigenartige Geruch weg, der in dem Lager geherrscht hatte.
Waffenöl, Fred. Das war Waffenöl. Hamm hat es selbst gesagt, bevor ihr dort angekommen seid. Oder war es Schmieröl?
Jemand sprach. Eine Männerstimme. Und jetzt beugte sich jemand über ihn. Fred kannte ihn nicht. Er trug eine rote Weste. Feuerrot.
»Er ist aufgewacht«, sagte er.
Fred wurde durchgeschüttelt. Man schob ihn irgendwohin. Da war frische Luft um ihn herum. Die Vögel zwitscherten. Für einen Moment konnte Fred blauen Himmel sehen, dann schob sich eine Betondecke in sein Sichtfeld.
Und es wurde wieder alles dunkel.
32
»Alles klar«, sagte Steingräber und schob Fred ein weißes Blatt hin. »Unterschreiben Sie bitte hier.«
Fred überflog das Protokoll. Es hatte wesentlich länger gedauert als beim letzten Mal.
»Was Sie ausgesagt haben, entspricht zu hundert Prozent unseren Erkenntnissen«, sagte der Hauptkommissar, als Fred den Stift hinlegte. »Wir haben in einem der Regale sogar die K.-o.-Tropfen gefunden, die Jonas Hamm Ihnen eingeflößt haben muss. Ich denke, er wird das auch noch gestehen. Nachdem er schon so viel zugegeben hat. Ihm bleibt ja auch nichts anderes übrig.« Steingräber nahm die Brille ab. »Das Blut in dem Haus stammt von Friesdorf.«
»Wie lief es genau ab?«, fragte Fred.
»Er hat den Professor genau wie Sie unter einem Vorwand dorthin gelockt. Er hat behauptet, dort gäbe es Dokumente über Teilnehmer des Ersten Weltkriegs. Aus dem 29er Regiment. Er hat den Professor erschossen, die Leiche zu Ihrem Wagen gebracht und ist damit zum Limesturm gefahren. Den Rest kennen Sie ja. Wir haben Friesdorfs Todeszeitpunkt ermittelt. Er starb an dem Tag, an dem seine Frau Sie kontaktierte. Während Sie ermittelt haben, war er also schon tot. Sie hätten ihm nicht mehr helfen können.«
»Und der Mord an Daniela Hecht?«
»Das ist ein bisschen anders gelaufen, als er es geplant hatte. Nachdem der Professor tot war, hatte Hamm sich mit ihr verabredet und war zu der Verabredung auch erschienen, aber sie ließ sich wohl nicht weglocken. Daraufhin wurde Hamm ungeduldig, es gab Gerangel. Daniela Hecht hat dabei anscheinend um Hilfe gerufen, und da hat er sie den Hang hinuntergestoßen.«
Fred befühlte seinen Verband am Kopf. Die Wunde schmerzte jetzt, nach vier Tagen, immer noch.
»Ein gefährlicher Mann. Dabei sieht er gar nicht so aus. Eher wie der schmächtige Intellektuelle«, sagte er.
Steingräber setzte seine Brille auf und sah in seine Unterlagen. »Unter der Fassade brodelt es aber. Hamm war zweimal in psychiatrischer Behandlung. Es gab vor acht Jahren sogar mal eine Klage gegen ihn. Heute würde man das, um was es ging, als Stalking bezeichnen. Damals war das aber noch kein Straftatbestand. Deswegen wurde die Sache fallen gelassen. Die Geschichte, die er Ihnen über seinen Vater erzählt hat, stimmt auch. Die Waffensammlung geht auf ihn zurück. Er war zuletzt Stabsfeldwebel in Koblenz, ist aber vor sechs Jahren gestorben.«
»Was sagt denn Gesine Ackermann zu alldem?«
»Sie hat das sehr gefasst aufgenommen. Ich nehme an, sie ist der Typ, der sofort einen Schnitt macht. Aber wir kriegen sie als Mitwisserin dran. Hoffe ich zumindest. Sie hatten wirklich Glück.«
Fred nickte. Auch wenn es eine Weile nicht so ausgesehen hatte – der Trick mit dem Handy hatte funktioniert. Die Polizei hatte ihn immer noch in der Ortung gehabt und war gerade rechtzeitig gekommen. Noch vor einer Woche hätte er nicht geglaubt, dass er einmal froh darüber sein würde, unter Mordverdacht zu stehen und von den Hütern des Gesetzes überwacht zu werden.
»Eins frage ich mich aber nach wie vor«, sagte Fred. »Warum haben Sie ernsthaft geglaubt, ich hätte etwas mit Friesdorfs Tod zu tun? Ich hätte doch gar kein Motiv gehabt. Ich war schließlich damit beauftragt, herauszufinden, wo er war. Und ich arbeitete offiziell als Detektiv.«
»Für die Agentur von Karl Spalowsky. Das wissen wir.«
»Aber diesen Fall habe ich allein übernommen. Und überhaupt … Was hat
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