Rhosmari - Retterin der Feen
Kaiserin versklavten Feen zu befreien, genauso wie Rhys den Stein vor tausend Jahren dazu verwendet hat, uns vom Joch der Tyrannei zu befreien.«
Rhosmari holte Luft. »Ihr stimmt ihm also zu? Ihr findet, dass es richtig war, den Stein wegzugeben?«
»Das spielt jetzt keine Rolle«, sagte Arianllys. »Er ist weg und die Kinder des Rhys haben Angst. Es muss etwas getan werden, um sie zu beruhigen. Aber wenn der Plan deiner Mutter nicht die richtige Lösung ist, was schlägst du dann vor?«
»Ich weiß es nicht«, erwiderte Rhosmari. »Ich dachte … wenn ich zu Euch käme …« Sie blickte bittend zu der Wissenschaftlerin auf. »Ihr habt das alles also nicht vorhergesehen? Ihr wisst nicht, ob meine Mutter sich durchsetzen wird und ob wir den Stein wiederbekommen oder … was sonst passiert?«
Arianllys schwieg einen Augenblick, dann sagte sie: »Ich habe nichts gesehen, was dir helfen könnte. Ich habe nur selten Visionen und sie sind auch nur selten klar und eindeutig.«
Rhosmari ließ den Kopf in die Hände fallen. Wenn Lord Gwylan ihre Mutter nicht an der Ausführung ihres Plans hindern konnte und die größte Wissenschaftlerin und Prophetin der Grünen Inseln keinen Rat wusste, gab es dann noch Hoffnung?
Da fiel ihr etwas ein und sie hob den Kopf. Vielleicht war doch nicht alles verloren. Selbst wenn Lady Celyn die Ältesten überzeugen konnte, musste sie deren Beschluss noch der Vollversammlung vorlegen und die Zustimmung der anderen Kinder des Rhys gewinnen. Und bevor die Armee ausrücken konnte, mussten die Ältesten zuerst die Feen bestimmen, die als Soldaten und Offiziere in ihr dienen sollten, und für Waffen und Proviant sorgen. Bis alles bereit war, konnten eine oder sogar zwei Wochen vergehen.
Sie hatten also noch Zeit, nach einer Lösung zu suchen, einer Alternative, wie man den Stein ohne Streit und Gewalt zurückholen konnte. Vielleicht war es gar nicht so schwer. Rhosmari hielt Garan trotz seines überstürzten Handelns nicht für einen Verräter. Er hatte nur den Feen auf dem Festland helfen wollen, nicht aber den Kindern des Rhys schaden. Wenn jemand von den Grünen Inseln ihm nun folgte und ihm sagte, was der Verlust des Namenssteins für sein Volk bedeutete, würde er seinen Fehler vielleicht einsehen und den Stein zurückgeben.
Nur wer sollte eine solche Reise unternehmen? Garan hatte bei seiner Flucht seine engsten Freunde mitgenommen. Von den Freunden außerhalb seiner Familie, die ihn gut kannten, war nur Rhosmari übrig. Niemand sonst kannte den Plan ihrer Mutter so genau. Garans Eltern hatten seinetwegen schon genug gelitten. Außerdem wurden ihr Rat und mäßigender Einfluss hier gebraucht.
Mit anderen Worten, nur eine Person kam für die Reise infrage.
Nein.
Bitte nicht. Nicht ich.
Sie hatte sich so sehr gewünscht, das Festland zu besuchen, aber nicht unter diesen Umständen. Nicht allein und unvorbereitet und ohne allen Schutz vor den Gefahren, vor denen ihre Mutter sie so oft gewarnt hatte. Und selbst wenn sie den Mut für dieses Abenteuer aufbrachte, konnten Tage oder Wochen vergehen, bis sie Garan fand. Alles wäre ein Wettlauf gegen die Zeit. Sie müsste jeden Moment fürchten, dass die Armee ihrer Mutter sie überholte.
Aber was für eine Alternative hatte sie?
Ich will nichts Böses tun, hatte Garan einmal zu ihr gesagt, aber nichts zu tun, wenn etwas Böses getan wird, ist auch keine Tugend. Rhosmari hatte ihn damals nicht verstanden. Jetzt verstand sie ihn. Sie musste diese Reise trotz aller Gefahren antreten, denn zuzulassen, dass ihr Volk Krieg führte, wäre das größere Übel.
Außerdem würde eine alleinreisende junge Fee der Aufmerksamkeit der Kaiserin vielleicht eher entgehen als eine ganze Armee …
Sie schloss die Augen und sammelte Mut. Dann stand sie auf. »Ich werde gehen«, sagte sie. »Ich werde Garan suchen und ihn bitten, uns den Stein zurückzugeben.«
Lady Arianllys hielt den Atem an und Lord Gwylan sah noch grimmiger aus als sonst. Rhosmari wartete angespannt und fürchtete schon, die beiden könnten versuchen, sie von ihrem Vorhaben abzubringen – doch dann trat Arianllys zu ihr, umarmte sie und hielt sie fest an sich gedrückt.
»Mögen Rhys und die große Gärtnerin dich beschützen und sicher ans Ziel geleiten«, sagte sie. »Und wenn du Garan findest … grüße ihn von uns.«
Rhosmari durchsuchte die Kiste am Fuß ihres Bettes und schob alte Schuhe, halb gelesene Zeitschriften und ihre Medaillen von den Rhysischen Spielen zur Seite,
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