Rhosmari - Retterin der Feen
Rhosmari und küsste sie. »Pass gut auf dich auf«, flüsterte sie. »Denn du bist mir so lieb wie ein eigenes Kind, auch wenn du meinen Sohn nicht heiraten wirst.«
»Ist das eine Prophezeiung?«, fragte Rhosmari mit einem schwachen Lächeln, aber Arianllys antwortete nicht. Stattdessen drehte sie sich zu ihrem Mann um und begrub das Gesicht an seiner Brust. Weinte sie tatsächlich? Doch noch bevor Rhosmari sie fragen konnte, warum sie so traurig war, hob Gwylan die Hand zum Lebewohl und die beiden verschwanden.
Rhosmari wandte sich wieder der Felswand zu. Vor ihr klaffte groß und furchterregend wie der Schlund einer Seeschlange der Tunnel. Sie entzündete einen Leuchtzauber und ließ ihn durch die Einfassung der Tür schweben, doch sah sie trotzdem nicht wesentlich mehr als grob behauene Wände und ungleichmäßige Stufen. Die Stufen führten in eine so absolute Schwärze hinunter, dass nicht einmal ihr Zauber sie durchdrang.
Alles in ihr sträubte sich dagegen, den Tunnel zu betreten.
Doch sie musste es tun.
Sie schloss die Augen und flüsterte, um sich Mut zu machen, ein Gebet. Dann nahm sie ihren Rucksack auf, straffte die Schultern und stieg zu Gruffydds Weg hinunter.
Schatten hüllten sie ein, zerrten an ihren Füßen und blieben in ihren Haaren hängen. Jeder Schritt in eine noch tiefere Nacht kostete sie eine fast unüberwindliche Anstrengung. Ihr Leuchtzauber schwebte neben ihr, doch tröstete sein matter Schein sie nicht. Ihr war, als könnte sie jeden Moment das Bewusstsein verlieren. Dann würde auch das Licht knisternd erlöschen.
Sie gehörte nicht hierher, eingesperrt zwischen Wasser und Stein. Sie war ein Kind des offenen Himmels und der sanften Wiesen. Der Tunnel hatte sie in einen blind vorankriechenden Regenwurm verwandelt. Sie umklammerte das Treppengeländer, bis der raue Stein ihr die Hand aufschürfte, doch nicht einmal Schmerzen konnten sie von der betäubenden Kälte ablenken, die sie umfing. In welchem Anfall von Wahnsinn hatte sie sich eingebildet, das schaffen zu können? Obwohl sie noch nicht einmal am Fuß der Treppe angekommen war, zitterten ihre Beine schon, als sei sie gerannt.
Vielleicht war es doch noch nicht zu spät zur Umkehr. Sie konnte mit einem Sprung nach Hause zurückkehren, den Rucksack ganz hinten in ihrem Schrank bei Pfeil und Bogen verstauen und vergessen, dass es diese Nacht je gegeben hatte.
Nein. Nur ein Narr und Feigling konnte so etwas denken, und sie war weder das eine noch das andere. Sie war die Tochter von Lady Celyn und ihr Volk zählte auf sie. Sie musste diesen Tunnel irgendwie hinter sich bringen, auch wenn sie die ganze Nacht dazu brauchte.
Rhosmari!
Ganz schwach, aber unverwechselbar hörte sie die vertraute Stimme im Kopf und der Magen krampfte sich ihr zusammen. Feen, die blutsverwandt waren oder eine entsprechende Abmachung getroffen hatten, konnten sich über kurze Entfernungen in Gedanken verständigen – und jetzt rief Lady Celyn sie. Wenn Rhosmari nicht antwortete, hieß das, dass etwas nicht stimmte … aber wenn sie es tat, wusste ihre Mutter sofort, wo sie ihre Tochter finden konnte. Was sollte sie also tun?
Die Lösung kam wie von selbst. Vor dem Tunnel am Strand von Ynys y Porth standen zwei »Wächter« genannte große Felsen. Sie kündigten die Grenze zwischen den Grünen Inseln und der Welt der Sterblichen an. Im Tunnel standen keine solchen Steine mehr, wenigstens nicht so weit Rhosmari sehen konnte, aber die Grenze konnte trotzdem nicht weit entfernt sein. Und wenn sie diese magische Linie erst überquert hatte, konnte Lady Celyn sie kaum noch aufhalten.
Antworte! Wie eine eisige Nadel stach die Aufforderung durch ihren Kopf. Rhosmari hielt sich die Ohren zu, hörte die Stimme aber trotzdem. Wie lange würde es noch dauern, bis Lady Celyn einen Gegenstand in die Hand nahm, der Rhosmari gehörte, und einen Suchzauber sprach? In plötzlicher Panik sprang Rhosmari die Treppe hinunter, so schnell sie konnte.
Am Fuß der Treppe beschien ihr Leuchtzauber gekrümmte Wände, die sich vor ihr im Dunkel verloren. Es war noch kälter geworden, aber der Tunnel wurde jetzt mit jedem Schritt breiter und das Gefühl der Enge, das Rhosmari die Brust zusammengedrückt hatte, ließ allmählich nach.
Wo bist du, Tochter? Sprich sofort zu mir!
Diesmal hörte sie die Worte laut und durchdringend. Offenbar war Lady Celyn ihr auf den Fersen. Rhosmari begann zu laufen. So schnell ihre zittrigen Beine sie tragen wollten, rannte sie den Tunnel
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