Richard Castle
stark.“ Rook verlangte mit einem Handzeichen nach der Rechnung.
„Vielleicht war meine Stärke der Grund für unsere Trennung.“
Er lächelte leicht und sagte: „Und nicht die Tatsache, dass ich dich betrogen habe?“
„Ach ja, richtig.“ Sie grinste. „Das auch.“
Auf ihrem Weg nach draußen, entschuldigte Nikki sich, um zur Toilette zu gehen, und Petar dankte Rook für das schöne Abendessen. „Sie sind ein echter Glückspilz, Jameson Rook.“ Er betonte das R ganz leicht, das Überbleibsel eines Akzents. „Verstehen Sie das bitte nicht falsch, okay? Ich hoffe wirklich, dass Sie mehr Glück haben als ich. Ich konnte ihre Schutzmauer nie durchdringen. Vielleicht werden Sie nicht aufgegeben.“
Rook musste gegen seinen Willen zugeben, dass er und Nikkis Exfreund vielleicht doch etwas gemeinsam hatten.
Die Aprilluft war über Nacht abgekühlt, und als sie am Sonntagmorgen auf dem leeren Bürgersteig vor dem Hauptgebäude des New England Conservatory auf die ehemalige Dozentin ihrer Mutter warteten, konnte Nikki sehen, wie kleine Kondensschwaden aus Rooks Nasenlöchern kamen. Sie erinnerten sie an Lauren Parrys kondensierten Atem im Inneren dieses Tiefkühllasters, und sie wandte sich ab, um einen Bus zu beobachten, der auf der Huntington Avenue an ihnen vorbeifuhr. Dann hörten sie beide lebhafte Synthesizermusik gefolgt von der verstärkten Stimme eines Manns, die das Lied „Maniac“ aus
Flashdance
sang. Beide drehten sich herum, um die Quelle der Musik auszumachen.
„Er ist dort oben“, sagte die grauhaarige Frau, die von der Bushaltestelle auf sie zukam. Sie deutete auf ein offenes Fenster im achten Stock eines Wohngebäudes hinter dem Studentenwohnheim des NEC, wo ein schwarzer Mann in einem roten langärmeligen Hemd und einer schwarzen Lederweste sowie einem dazu passenden Filzhut an seiner Karaokemaschine in ein Mikrofon sang. „Das ist Luther.“ Sie winkte zum Fenster hinauf, und Luther erwiderte den Gruß, ohne seine rhythmischen Bewegungen und seinen Gesang einzustellen, sodass seine laute Stimme weiterhin an der Gebäudefassade widerhallte. „Jeden Morgen wenn er mich sieht, singt er auf diese Weise für das Konservatorium vor. Ich habe ihm bereits erklärt, dass wir keine Popmusiker ausbilden, aber das scheint ihn nicht davon abzubringen.“ Professor Yuki Shimizu streckte ihre Hand aus und stellte sich vor.
Sie stiegen zu dritt die ausgetretenen Marmorstufen hinunter und traten durch die geheiligten Holztüren in die Vorhalle. „Ich schätze, Sie wissen, dass das NEC eine nationale Sehenswürdigkeit ist“, sagte die Dozentin. „Die älteste private Musiklehranstalt in Amerika. Und nein, ich war nicht bei der Eröffnung anwesend. Es fühlt sich nur so an.“
Als sie sich bei der Sicherheit anmeldeten, sagte Professor Shimizu: „Verzeihen Sie, dass ich Sie so anstarre, aber ich kann nicht anders. Sie sehen genauso aus wie Ihre Mutter.“ Das Lächeln der alten Frau füllte ihr ganzes Gesicht aus und erwärmte Nikkis Herz. „Nehmen Sie das als außerordentliches Kompliment, meine Liebe.“
„Das tue ich, Professor. Danke.“
„Und da ich heute meinen freien Tag habe, möchte ich vorschlagen, dass Sie mich Yuki nennen.“
„Und ich bin Nikki.“
„Die meisten Leute nennen mich Rook“, sagte er. „Aber Jameson ist auch in Ordnung.“
„Ich habe Ihre Zeitschriftenartikel gelesen.“
„Danke“, erwiderte er.
Die Augen der Frau funkelten. „Ich habe nicht gesagt, dass sie mir gefallen haben.“ Sie zwinkerte Nikki zu und führte sie durch einen Korridor zu ihrer Rechten. Trotz der grauen Haare, die sie sich in über sechsundsiebzig Jahren verdient hatte, bewegte sie sich voller Lebenskraft und Entschlossenheit, und wirkte kein bisschen so, als wüsste sie überhaupt, wie sich ein freier Tag anfühlte.
Als sie am Probenraum vorbeikamen, trafen sie auf eine Gruppe Studenten, die im Schneidersitz neben ihren Rucksäcken und Instrumentenkoffern auf dem braunen Teppichboden saßen, Musik auf ihren iPods hörten und darauf warteten, dass sie an der Reihe waren. Aus dem Inneren des Raums donnerten die satten Trommeltöne von
Boléro
gegen die geschlossenen Türen. Rook lehnte sich zu Nikki vor und flüsterte voller Zweideutigkeit: „Mm,
Boléro.“
Professor Shimizu, die ihnen bereits einige Schritte voraus war, blieb stehen und drehte sich um. „Sie mögen Ravel, Mr. Rook?“, fragte sie und hatte demnach eindeutig keine Probleme mit ihrem Hörvermögen. „Fast so
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