Richard Wagner - Werk, Leben, Zeit
aufgenommen wie diejenige vom Tode Aschenbachs in Thomas Manns Novelle. Niemand – weder Freund noch Feind – konnte noch leugnen, dass der umstrittenste Komponist seiner Zeit diese Zeit, gerade aufgrund seiner Opposition gegen sie und schließlich seiner Flucht aus ihr, auf ebenso beispielhafte wie beispiellose Weise geprägt hat. Wagner hat mit dem Parsifal bei den zweiten Bayreuther Festspielen sein höchstes Lebens- und Kunstziel erreicht – zum Frieden mit seiner Zeit hat ihn das freilich nicht veranlasst. Er wollte ihr, wie seine pessimistischen Einsichten in der letzten Phase seines Lebens zeigen, schlechterdings nicht angehören. Das Heil der Menschheit, an das er nach wie vor glaubte, sah er nur in einer inneren oder äußeren Auswanderung aus seiner Zeit, wie er sie in seinen Regenerationsschriften propagiert hat. Als Widersacher seiner Zeit zog er ebenso eine verschworene Gemeinde an sich , wie er (nicht weniger verschworene) Gegner wider sich aufbrachte – unter Mit- wie Nachgeborenen. Der Streit um seine ideologischen und ästhetischen Prinzipien, der sein Künstlerleben und -wirken wie kein anderes geprägt hatte, kam mit seinem Tode keineswegs zur Ruhe, sondern steigerte sich in immer neuen Wellen bis heute. Was sein fi ktives Spiegelbild, der früh verstorbene Musiker seiner Pariser Novellen und Essays, auf dem Sterbebett im »letzten Wort über meinen Glauben« zuversichtlich erwartet: »ich glaube, daß ich auf Erden ein dissonirender Accord war, der sogleich durch den Tod herrlich und rein aufgelöset werden wird« ( Ein Ende in Paris ; GS I, 135), das hat Wagner sich nicht erho ff en können. Bis heute ist er ein dissonierender Akkord geblieben.
Anhang
Postskriptum
Der vorliegende Versuch einer konzentrierten Gesamtdarstellung Wagners setzt eine jahrzehntelange Beschäftigung mit seinem Werk, vor allem aus literarhistorischer Sicht voraus. Dass dieser Versuch ohne die Inspiration durch die umfangreiche Forschungsliteratur der letzten Jahrzehnte nicht möglich wäre, versteht sich ebenso von selbst wie die Tatsache, dass der Verfasser immer wieder auf eigene frühere Publikationen und Einsichten zurückgreift. Gleichwohl wird auf die unmittelbare Anführung der relevanten Wagner-Literatur – die der Verfasser in seinen früheren Wagner-Büchern Das Theater Richard Wagners. Idee – Dichtung – Wirkung (1982, Neuauflage 2013) und Richard Wagner. Ahasvers Wandlungen (2002), ihren englischen Übersetzungen sowie in zahlreichen Editionen, Sammelbänden und Aufsätzen geleistet zu haben glaubt – weithin verzichtet, zugunsten der eigenen Sicht und der Lesbarkeit für ein Publikum, das nicht nur aus Experten bestehen möge. Ebenso wird auf Fußnoten oder Anmerkungen verzichtet. Zitate sind gleichwohl immer leicht nachprüfbar. Die wesentlichsten Ausgaben, nach denen zitiert wird, sind durch Siglen bezeichnet, und die Zitate werden im Text selber mit Band- und Seitenzahl nachgewiesen. Die wichtigste Literatur, auf die sich die vorliegende Wagner-Monographie stützt, ist in der Auswahlbibliographie am Ende angeführt. Dieses Buch verdankt viel den Gesprächen mit Freunden, insbesondere den Herausgebern und Mitarbeitern der Zeitschrift wagnerspectrum , die seit 2005 einen neuen Standard der interdisziplinären Wagner-Forschung gesetzt hat. Mein Dank gilt vor allem ihrem Initiator Udo Bermbach, dessen große Wagner-Monographien sowie vielfältige gemeinsame Aktivitäten und Gespräche mich nachhaltig inspiriert haben. In musikalischer Hinsicht ist mein Wagner-Bild am nachdrücklichsten durch die Aufführungen und Aufnahmen von Christian Thielemann sowie die ö ff entlichen und privaten Gespräche mit ihm geprägt worden. Stephan Stachorski danke ich für die kritische Durchsicht des Manuskripts.
Dieter Borchmeyer, im August 2012
Literaturhinweise
Die vorliegende Monographie stützt sich vor allem auf folgende Editionen und Dokumentationen:
1. Editionen und Dokumentationen mit Siglen im Text
CT Cosima Wagner: Die Tagebücher 1869–1883. Ed. und komm.
von Martin Gregor-Dellin und Dietrich Mack. München 1976/77.
GS Richard Wagner: Gesammelte Schriften und Dichtungen.
Leipzig 1871–1883. 2. Aufl. 1888.
LW König Ludwig II. und Richard Wagner: Briefwechsel. Bearb. von
Otto Strobel. Karlsruhe 1936.
ML Richard Wagner: Mein Leben. Hrsg. von Martin Gregor-Dellin. München 1969.
NW Nietzsche und Wagner. Stationen einer epochalen Begegnung.
Hrsg. von Dieter Borchmeyer und Jörg
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