Richard Wagner - Werk, Leben, Zeit
Daraus wird bei Wagner, mit bemerkenswerter Selbstironie: »Im wunderschönen Monat Mai / kroch Richard Wagner aus dem Ei; / ihm wünschen, die zumeist ihn lieben, / er wäre besser drin geblieben.«
Was Heine und Wagner in diesen Jahren verbindet, ist die politische wie moralische Opposition gegen die reaktionären Zustände in Deutschland. In einem Artikel aus Paris für die Dresdener Abend-Zeitung ergreift Wagner am 6. Juli 1841 emphatisch Partei für Heine und gegen diejenigen, die versuchen, ihn aus der deutschen Kultur auszuschließen: »Wir sehen aus unsrer Mitte ein Talent hervorgehen, wie Deutschland wenig ähnliche aufzuweisen hat […]. Wer von unsrem jungen Volk eine Feder zur Hand nimmt […], sucht […] es Heine nachzumachen, denn nie hat eine so plötzlich und mit Blitzesschnelle hervorgerufene, gänzlich unvermutete Erscheinung ihre Richtung so unwiderstehlich beherrscht, als die Heines die ihrige.« Und doch sehen wir geduldig zu, so Wagner, »wie unsre Polizei dies herrliche Talent von seinem vaterländischen Boden verjagt« und dass »seine üppige Wurzel aus der Erde gerissen wird, die ihr allein Nahrung geben konnte«; ja wir zwingen ihn, »aufzuhören, Deutscher zu sein, während er doch nimmermehr Pariser werden kann«.
Heines und Wagners lockere Freundschaft wird sich seit dessen Rückkehr aus Paris »nach dem deutschen Karto ff elland«, wie Heine in Lutetia notiert, freilich nicht fortsetzen. Dass Heine für Wagners spätere musikalisch-dramatische Prinzipien wenig Sympathie gehabt hat, zeigt das satirische Gedicht Jung-Katerverein für Poesie-Musik (1854), das sich zwar unmittelbar auf Franz Liszt bezieht, aber Wagner indirekt einschließt. Spuren Heines lassen sich in Wagners musikdramatischem Œuvre vom Liebesverbot bis zum Parsifal verfolgen. Er verdankt ihm nicht nur den Sto ff des Fliegenden Holländers – auch wenn er das zunehmend nicht mehr wahrhaben will –, sondern auch Tannhäuser ist durch Heines Essay Elementargeister (1837) und dessen Kardinalthese, dass die antiken Götter im christlichen Abendland untergründig, quasi im »Exil« fortwirken, entscheidend inspiriert worden. Noch der Marienbader Prosaentwurf zu den Meistersingern von Nürnberg (1845) verrät den Ein fl uss Heines, rekurriert auf seine These vom »Ende der Kunstperiode«, und die Konzeption der Kundry im Parsifal dürfte durch die »Teufelinne« Herodias in Heines Atta Troll (Caput XIX) zumindest mitinspiriert sein.
Abb. 7 : Heinrich Heine (1797–1856)
Nach seiner Pariser Zeit häufen sich die negativen Äußerungen Wagners über Heine. Eine zwiespältig-wichtige Rolle spielt er im Schlussteil des Aufsatzes Das Judenthum in der Musik von 1850. Die Juden haben nach Wagner »keinen wahren Dichter hervorgebracht« – weil die moderne Zivilisation, deren Dämon sie gewissermaßen seien, aus sich selbst heraus keine echte Poesie hervorbringen könne. Das verdeutlicht zu haben, sei das »Amt« des »sehr begabten dichterischen Juden« Heinrich Heine gewesen – bis er »nun selbst wieder sich zum Dichter log, und dafür auch seine gedichteten Lügen von unseren Komponisten in Musik gesetzt erhielt« (GS V, 84 f.). Dass Wagner selbst zu diesen Komponisten gehört und Heines Grenadiere in Musik gesetzt hat, verschweigt er nun. Solange Heine sein Talent in den Dienst satirischer Negation der modernen Zivilisationsmisere stellt, p fl ichtet er ihm bei, wo jener aber selber als a ffi rmativer Dichter aufzutreten scheint, weist er ihn zurück. Wagners Einstellung ist also selbst in diesem polemischen Zusammenhang nicht nur negativ, sondern durchaus ambivalent. Bezeichnend dafür ist eine Äußerung Wagners, die Cosima in ihrem Tagebuch vom 13. Dezember 1869 wiedergibt. Wagner liest ihr aus einem Band mit postumen Schriften Heines vor und urteilt: »Wie immer Sachen von unvergleichlicher Genialität […] und sehr widerwärtige Dinge. ›Er ist das böse Gewissen unserer ganzen Zeit‹, sagt Richard, ›das Unerquicklichste und Demoralisierendste, was man sich vorstellen kann, und doch fühlt man sich ihm näher als der ganzen Sippschaft, die er ganz naiv aufdeckt.‹« (CT I, 178) Heine ist für Wagner, so darf man spekulativ ergänzen, nicht nur das böse Gewissen seiner Zeit, sondern auch sein eigenes. Die gut zweieinhalb Jahre, die Wagner in und bei Paris (zeitweilig in dem südwestlich gelegenen Vorort Meudon) verbracht hat, sind die elendeste Zeit seines Lebens gewesen. Die autobiographische Schilderung
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