Richard Wagner - Werk, Leben, Zeit
Moment hinwegra ff te, da es ihn selber erhöhte.
Abb. 6 : Giacomo Meyerbeer (1791–1864)
Einem anderen jüdischen Meister der Großen Oper: Jacques Fromental Halévy, hat Wagner indessen zeitlebens sehr viel mehr Sympathie entgegengebracht, seine Oper La reine de Chypre ( Die Königin von Zypern ) in der Gazette musicale de Paris und den Pariser Berichten für die Dresdener Abend-Zeitung aufmerksam gewürdigt und zumal seine bedeutendste Oper La Juive ( Die Jüdin , 1835) stets hochgeschätzt. Wagner lernte Halévy anlässlich der Anfertigung seines Klavierauszugs der Reine de Chypre auch persönlich kennen und bietet in Mein Leben ein von Zuneigung geprägtes lebendiges Porträt von ihm. Auch während seines zweiten großen Paris-Aufenthalts (1860) ist er wieder zu ihm in persönliche Verbindung getreten. Noch 1882 redet er voller Zuneigung und ohne jede Spur eines antijüdischen A ff ekts über Halévy und die Jüdin , in der er den »besten Ausdruck des jüdischen Wesens« sieht (CT II, 970).
Als Wagner in der französischen Hauptstadt eintri ff t, ist vom Geist der Revolution, den er in seiner Hohen Braut beschworen hat, an den Spitzen der Gesellschaft nicht mehr viel zu spüren. Paris ist die Stadt des »juste milieu«, des sich mehr und mehr aufblähenden Finanzbürgertums, das sich in der Grand Opéra und einer glänzenden Festkultur einen repräsentativen Spiegel vorhält, hinter dessen pompöser Fassade jedoch die Armut ihr hässliches Gesicht zeigt und soziale Unruhen brodeln. Die sozialistischen Utopien eines Henri de Saint-Simon oder Pierre Joseph Proudhon fi nden beträchtliche Resonanz – auch und gerade bei Wagner. Und in Paris suchen die demokratischen deutschen Emigranten Heinrich Heine, Ludwig Börne, Arnold Ruge und Karl Marx eine Zu fl ucht vor der deutschen Misere und den Nachstellungen durch ihre politischen Sachwalter.
Die durch Heinrich Laube – der sich immer wieder redlich bemüht, Wagner in seinem Pariser Elend materiell und geistig aufzuhelfen – vermittelte Bekanntschaft mit Heine gehört zweifellos zu den wichtigsten Pariser Begegnungen Wagners. Heines eminente Bedeutung für seinen ästhetischen Kosmos hat er später aufgrund seiner zunehmend antijüdischen Haltung, von der bis in die Pariser Zeit noch kaum etwas zu spüren ist, mehr oder weniger heruntergespielt. Doch von allen zeitgenössischen Poeten und Schriftstellern hat kaum einer in seinem Werk so viele Spuren hinterlassen. Nietzsche wird später in Heine und Wagner – wie auf dem Gebiet der Philosophie in Hegel und Schopenhauer – die großen entprovinzialisierenden Ereignisse der deutschen ästhetischen Kultur sehen, die beiden einzigen, die den europäischen Ein fl uss Goethes fortgesetzt haben.
Wagner lernt Heine um die Jahreswende 1839/40 persönlich kennen. Er vertont in dieser Zeit Heines Gedicht Die beiden Grenadiere in einer vom Autor selber gebilligten französischen Übersetzung und widmet ihm den im Sommer 1840 erschienenen und von ihm selbst bezahlten Druck der Komposition – wohl nicht zuletzt zum Dank dafür, dass Heine ihm gestattet hat, die in seinen Memoiren des Herren von Schnabelewopski bereits als dreiaktiges Theaterstück aufbereitete Sage vom Fliegenden Holländer »zu einem Opernsüjet zu benutzen«, wie er in der Autobiographischen Skizze von 1843 schreibt (GS I, 17). Wagner lässt sich auch von der in Mein Leben so genannten »Heineschen Manier im Journalstil« (ML 208) für seine Pariser Artikel in der Dresdener Abend-Zeitung anregen, die Heines eigenen Beiträgen für die Augsburger Allgemeine Zeitung – bisweilen über dieselben Ereignisse – in ihrem Stilgestus deutlich ähneln.
Auch in seinen Feuilletons und Novellen für die Revue et Gazette musicale , die in seinen Pariser Jahren entstanden sind, hat Wagner sich diesen Gestus weithin zu eigen gemacht. Heine selbst fühlte sich durch Wagners Feuilletons angeblich an E. T. A. Ho ff manns musikalische Prosa erinnert und spendete ihm nach Wagners eigenem Bericht das Lob: »So etwas hätte Ho ff mann nicht schreiben können.« (ML 201) Die intime Heine-Kenntnis Wagners zeigt sich in der Pariser Zeit in wiederholten Reminiszenzen an das Buch der Lieder in Briefen und Gesprächen, so in den humoristischen Versen auf seinen Geburtstag am 22. Mai (1840 oder 1841), die eine Strophe Heines aus dem Lyrischen Intermezzo parodieren: »Im wunderschönen Monat Mai, / Als alle Knospen sprangen, / Da ist in meinem Herzen / Die Liebe aufgegangen.«
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