Richard Wagner - Werk, Leben, Zeit
Kommunalgardist zu: »Herr Kapellmeister, der Freude schöner Götterfunken hat gezündet, das morsche Gebäude ist in Grund und Boden verbrannt.« Eine Anspielung auf Wagners letzte Aufführung der neunten Symphonie Beethovens, die – der Einklang von Kunst und Revolution – ihn mit tiefer Genugtuung erfüllt (ML 414).
Abb. 13 : Der Brand des Dresdner Opernhauses 1849
Die Dresdener Polizei hat in ihren Acta wider den vormaligen Capellmeister Richard Wagner, wegen Betheiligung am hiesigen Maiaufstande i. J. 1849 – mit welcher Berechtigung auch immer – sieben Hauptanklagepunkte gegen Wagner zusammengestellt: er sei »mit den Häuptern des Aufstandes, namentlich mit Bakunin, Heubner, Röckel genau bekannt« gewesen. (Otto Leonhard Heubner war Mitglied der »provisorischen Regierung«; Wagner hat ihn in Mein Leben und andernorts mit großem Respekt vor seiner Würde, Geradlinigkeit und idealistischen Ernsthaftigkeit beschrieben.) Er habe schon Wochen vor dem Aufstand an konspirativen Zusammenkünften teilgenommen und seinen Garten für sie zur Verfügung gestellt, ja »eine bedeutende Anzahl Handgranaten« besorgt, bei der Wahl der »sogenannten provisorischen Regierung« im Rathaus mitgewirkt, »auf dem Kreuzthurme ›observiert‹« und für die »Verstärkung der Aufständischen« gesorgt.
Am 7. Mai brennt das Dresdener Opernhaus. Sechs Tage dauert die Revolution, dann ziehen preußische Truppen auf, schlagen den Aufstand blutig nieder und retten den sächsischen Thron. Die Mitglieder der revolutionären Regierung fl iehen aus der Stadt. Einige der führenden Köpfe der Revolution können sich in Sicherheit bringen – wie Wagner –, andere fallen den feindlichen Truppen in die Hände. Am 19. Mai erscheint auf der ersten Seite des Dresdener Anzeigers ein Steckbrief Wagners, mit dem der »Königl. Capellmeister Richard Wagner […] wegen wesentlicher Theilnahme an der in hiesiger Stadt stattgefundenen aufrührerischen Bewegung« gesucht und alle Polizeibehörden ersucht werden, ihn zu verhaften. »Wagner ist 37–38 Jahre alt, mittler [sic!] Statur, hat braunes Haar und trägt eine Brille.« Doch Wagner ist schon über alle Berge, den königlichen Truppen glücklich entronnen. Ansonsten wäre er wie die meisten seiner revolutionären Kampfgenossen zum Tode verurteilt, allenfalls begnadigt und für Jahre ins Zuchthaus eingesperrt worden. Minna Wagner bleibt vorerst ohne fi nanzielle Mittel in Dresden zurück, verzweifelt und erbittert darüber, dass Wagner durch seine ihr verhassten politischen Aktivitäten in ihren Augen leichtfertig seine Lebensstellung an der Dresdener Oper aufs Spiel gesetzt hat. Tatsächlich wird er wegen unerlaubter Abwesenheit am 22. Juni 1849 formell aus seinem Amt als Hofkapellmeister entlassen.
Utopie eines »neuen Weimar« – Allianz mit Franz Liszt
Nach seiner Flucht aus Dresden – über Freiberg, Chemnitz und Altenburg – tri ff t Wagner am 13. Mai 1849 in Weimar ein. Und ist sogleich mitten im musikalischen Geschehen, fi nden doch gerade unter Leitung von Franz Liszt (1811–1886) die Proben für die bevorstehende Tannhäuser -Aufführung statt, an denen Wagner teilnimmt. Er wird sogar von Großherzogin Maria Pawlowna auf ihrem Schloss in Eisenach empfangen – im letzten Moment, bevor der Steckbrief gegen ihn in Weimar eintri ff t, der einen solchen Besuch unmöglich gemacht hätte.
Wagner ist Liszt zum ersten Mal im November 1840 in Paris von dem Verleger Maurice Schlesinger vorgestellt worden, für den er seine Artikel schreibt und die »Lohnarbeit« (ML 251) der Klavierauszüge und -arrangements zu verrichten hat. Der in ganz Europa gefeierte und umschwärmte Klaviervirtuose be fi ndet sich zu dieser Zeit auf der Höhe seines Ruhms, und Wagner – in tiefstem Elend, von der Hand in den Mund lebend – ist geblendet und zugleich tief befremdet vom Glanz des fürstlichen Virtuosen, zumal als dieser ihn, »von der Crême der Pariser Damenwelt im engsten Zirkel belagert« (ML 252), Ende März 1841 im Salon seines Pariser Hotels empfängt. Ein »künstlerisches Gespräch« bleibt gleich in den Anfängen stecken, da Wagner, der wohl noch nie von der gesellschaftlichen Klugheitsregel »No questions!« gehört hat, Liszt ungeschickterweise fragt, ob er neben dem (von ihm für Soloklavier transkribierten) Schubertschen Erlkönig auch denjenigen von Carl Loewe kenne, was er verneinen muss (ML 252 f.). In Eine Mittheilung an meine Freunde hat Wagner den Kontrast der
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