Richard Wagner - Werk, Leben, Zeit
Lebenssituation Listzs und seiner selbst noch tre ff ender charakterisiert als in Mein Leben : »In dieser Welt, in der aufzutreten und zu glänzen es mich verlangt hatte, als ich aus kleinlichen Verhältnissen heraus mich nach Größe sehnte, war Liszt vom jugendlichsten Alter an unbewußt aufgewachsen, um ihr Wunder und Entzücken zu einer Zeit zu werden, wo ich bereits durch die Kälte und Lieblosigkeit, mit der sie mich berührte, so weit von ihr abgestoßen wurde, daß ich ihre Hohlheit und Nichtigkeit mit der vollen Bitterkeit eines Getäuschten zu erkennen vermochte.« (GS IV, 338)
Ende 1842 lernt er dann durch Wilhelmine Schröder-Devrient Liszt in Berlin wirklich kennen. Es kommt zu einem ausführlicheren Gespräch, obwohl die exaltierte Sängerin unentwegt ihren Spott über Liszt ausgießt, der Wagner in Paris zwei Jahre zuvor habe abblitzen lassen; daran kann sich der berühmte Virtuose freilich gar nicht erinnern, und der vor Verlegenheit sich windende Wagner muss es dementieren. Trotz dieses bizarren Hintergrunds ist nun die Brücke der Sympathie zwischen Wagner und Liszt geschlagen. Ende Februar 1844 kommt es anlässlich einer Aufführung des Rienzi in Dresden zur nächsten Begegnung mit Liszt – und seiner Geliebten Lola Montez, die Wagner aber kaltgelassen zu haben scheint. »Du hast der Kleinen gefallen«, soll Liszt später zu Wagner gesagt haben; »du bist der einzige, der ihr nicht den Hof gemacht.« Als Wagner sich über dieses »kalte Verhältnis« Liszts moralisch entrüstet, für das er in Kauf genommen habe, »ein anderes Herz [zu] kränken«, ist das für Cosima, die das Gespräch im Tagebuch wiedergibt, ein Zeichen für »die ganze Größe von R[ichard]s Sittlichkeit« (CT II, 235 f.). Und als Cosima einmal ihr Mitgefühl angesichts des »elenden Endes« von Lola Montez ausdrückt, verweist Wagner ihr das streng und sagt, »solche dämonische, herzlose Wesen seien nie zu beklagen« (CT I, 32). Eine angesichts der eigenen A ff ären Wagners geradezu atemberaubende Tartü ff erie. Bereits 1849 hat er anlässlich der Abdankung Ludwigs I. von Bayern aufgrund seines Verhältnisses mit Lola Montez Verse geschrieben, in denen er den Schluss von Goethes Faust II parodistisch auf den Kopf stellt: »Das Unbegreifliche / hier bleibt es Wunder; / das Ewig-Weibliche / bringt uns herunter.« (SS XII, 367) Die scharfen Worte über Lola Montez gegenüber Cosima hängen gewiss auch damit zusammen, dass von Presse und Karikatur seine Beziehung zu Ludwig II. immer wieder mit dem Verhältnis zwischen Ludwig I. und Lola Montez verglichen wurde und man ihm den Spottnamen »Lolus Montez« anhängte.
Abb. 14 : Franz Liszt (1811–1886)
1842 wird Liszt, der beschlossen hat, seine glanzvollen Virtuosenlaufbahn in Weimar ausklingen zu lassen, zum »Hofkapellmeister im außerordentlichen Dienst« ernannt. Für mehr als ein Jahrzehnt (1848–61) übersiedelt er ganz nach Weimar und verscha ff t der Goethestadt als Opernleiter und Komponist noch einmal Weltgeltung: das sogenannte Silberne Zeitalter Weimars. Im April 1848 unterbricht er eine Reise von Wien nach Weimar in Dresden und führt mit Wagner ausführliche Gespräche. Im August des Jahres besucht Wagner ihn in Weimar. Im Februar 1849 kündigt Liszt an, Tannhäuser auf die Weimarer Bühne zu bringen, schließt die epochemachende Allianz mit Wagner und verspricht, sich von nun an immer in den Dienst seines Werks zu stellen – eine Allianz in den Spuren Goethes und Schillers.
Liszt hat ganz bewusst an die Weimarer Kulturtradition angeknüpft. Das zeigen zumal seine – vornehmlich in Zusammenhang mit den Säkularfeiern 1849 und 1859 entstandenen – symphonischen Dichtungen und Chorkompositionen zu Werken Goethes und Schillers. Neben Klavierschülern aus ganz Europa versammelt sich um ihn ein ›Musenhof‹ renommierter Komponisten, Maler und Dichter. Vor allem aber wird Weimar zur Wagner-Stadt. Die Aufführung des Tannhäuser erhält im Hinblick auf den Ort seiner Handlung: die Wartburg geradezu den Charakter einer Festoper für das Haus Sachsen-Weimar-Eisenach. Großherzogin Maria Pawlowna lässt Wagners Oper 1850 – unbekümmert um seine Strafverfolgung – eigens für die Deputierten des Erfurter Parlaments im Hoftheater aufführen.
»Wahrlich, theurer freund, Du hast aus diesem kleinen Weimar für mich einen feuerherd des ruhmes gemacht«, schreibt Wagner am 24. Dezember 1850 aus Zürich an Liszt (SB III, 485). In diesem Jahr gelangt nicht nur
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