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Richter 07

Richter 07

Titel: Richter 07 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gulik
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diesem Überfall steckte, Herr?«
    »Er glaubt es zu wissen, aber er irrt sich. Ich weiß es. Der Anschlag galt mir.«
    Ma Jung wollte weiter fragen, aber der Richter hatte bereits sein Pferd vorwärts getrieben. Als der große Eibenbaum in Sicht kam, deutete Ma Jung auf die an ihren knorrigen Stamm sich lehnende Hütte. Richter Di verstand und nickte. Er stieg vom Pferd und übergab die Zügel an Ma Jung, indem er sagte:
    »Du bleibst hier und wartest auf mich.«
    Allein stapfte er durchs nasse Gras. Die Morgensonne hatte noch nicht vermocht, das dichte Laub, das über dem Dach der Hütte hing, zu durchdringen. Es war feuchtkalt, und es roch widerlich nach verfaulenden Blättern. Ein schwacher Lichtschimmer erschien hinter dem schmutzigen Ölpapier des einzigen Fensters.
    Richter Di trat dicht an die wacklige Tür heran und lauschte. Er hörte eine seltsam schöne Stimme, die in weichen Tönen eine alte Melodie summte. Sie war, wie er sich erinnerte, in seiner Kindheit populär gewesen. Er zog die Tür auf und trat ein. Innen stand er still, und die Tür fiel hinter ihm, in den rostigen Angeln knarrend, ins Schloß.
    Das Licht einer billigen irdenen Öllampe beschien nur spärlich den düsteren Raum. Fräulein Ling saß mit gekreuzten Beinen auf dem Bambusbett, den abstoßenden Kopf des leprakranken Bettlers zärtlich in ihren Armen wiegend. Er lag auf dem Rücken ausgestreckt, die schwärenden Wunden an seinen Gliedern durch die Lumpen zeigend, die seinen abgezehrten Körper nur notdürftig bedeckten. Stumpf starrte das eine ihm verbliebene Auge ins trübe Lampenlicht.
    Sie hob den Kopf und wandte ihre leeren Augen dem Richter zu.
    »Wer ist da?« fragte sie mit ihrer warmen, volltönenden Stimme.
    »Ich bin’s, der Amtmann.«
    Des Aussätzigen blaue Lippen verzogen sich zu einem höhnischen Lächeln. Ihm fest ins Einauge blickend, sprach der Richter:
    »Ihr seid Dr. Li Wee-tsching, der Vater des Akademikers. Und sie ist die Kurtisane Jadegrün, vor dreißig Jahren als verstorben eingetragen.«
    »Wir lieben uns!« sagte die Blinde stolz.
    »Ihr kamt zur Insel«, fuhr Richter Di, zum Aussätzigen gewandt, fort, »weil Ihr erfuhrt, daß die Blumenkönigin Herbstmond Euren Sohn in den Tod getrieben hatte. Ihr wolltet Rache nehmen. Ihr wart im Irrtum. Euer Sohn nahm sich selbst das Leben, weil er Schwellungen an seinem Nacken entdeckte, die er für die ersten Anzeichen Eurer Krankheit hielt. Ob zu Recht oder Unrecht, ich weiß es nicht; ich konnte die Leiche nicht in Augenschein nehmen. Ihm fehlte es an Mut, das elende Leben eines Leprakranken auf sich zu nehmen. Aber Herbstmond ahnte nichts. In ihrem eitlen Verlangen nach Ruhm verbreitete sie die Nachricht, er habe sich ihretwegen getötet. Ihr hörtet es aus ihrem eignen Munde, als Ihr, im Gebüsch vor der Veranda des Roten Pavillons versteckt, unsre Unterhaltung heimlich belauschtet.«
    Er hielt inne. Nur das schwere Atmen des Aussätzigen war zu hören.
    »Euer Sohn vertraute Herbstmond. Er übergab ihr einen Brief an Euch, in dem er seinen Entschluß erklärte. Doch sie vergaß das Schreiben, sie öffnete es nicht einmal. Ich fand es, nachdem Ihr sie ermordet hattet.«
    Er zog den Brief aus seinem Ärmel und las ihn laut vor.
    »Ich trug einen Sohn von dir unter meinem Herzen, Liebster«, sagte die Frau zärtlich. »Doch nach meiner Heilung hatte ich eine Fehlgeburt. Unser Sohn wäre schön und mutig geworden. Genau wie du!«
    Richter Di warf den Brief auf die Bettstatt.
    »Nach Eurer Ankunft auf der Insel habt Ihr Herbstmond ohne Unterlaß beobachtet. Als Ihr sie spät in jener Nacht zum Roten Pavillon gehen saht, gingt Ihr ihr nach. Ihr saht sie durchs vergitterte Fenster, wie sie nackt auf dem Bett lag. Ihr rieft sie beim Namen. Dann stelltet Ihr Euch dicht ans Fenster, mit dem Rücken gegen die Wand. Als sie ans Fenster trat und das Gesicht wahrscheinlich an die Eisenstangen preßte, um den besser zu erkennen, der gerufen hatte, tratet Ihr plötzlich vor. Mit der Hand grifft Ihr durchs Gitter und packtet ihren Hals, um sie zu erdrosseln. Aber Eure verkrüppelten Hände vermochten sie nicht zu halten. Sie machte sich los, wollte zur Tür, um nach Hilfe zu rufen, da versagte ihr Herz, und leblos sank sie zu Boden. Ihr, Dr. Li, habt sie getötet!«
    Das rote, entzündete Augenlid zitterte. Sie beugte sich über das entstellte Gesicht und flüsterte:
    »Hör nicht auf ihn, Liebling! Ruh dich aus, mein Süßer, Einziger, du bist nicht wohl.«
    Der Richter wich

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