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Rico, Oskar und das Herzgebreche

Rico, Oskar und das Herzgebreche

Titel: Rico, Oskar und das Herzgebreche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Steinhöfel
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Handtaschensache, ohne dass wir Mama dabei an ihn verpetzen mussten. Aber mit so einem rede ich kein Wort mehr. Ich bin froh – jawohl, froh! –, dass es nichts geworden ist zwischen ihm und Mama. Dann müsste sie nämlich jetzt zur Kur in ein Erholungsheim für gefühlszertrampelte Frauen, während dieser Mistkerl – jawohl, Mistkerl! – schon die nächste anbaggert.
    So einer ist das nämlich.
    Ein Herzensbrecher.
    Mann, Mann, Mann!

    Erst gab es Stress mit Oskar. Der ging los, als wir aus dem Steinestall in mein Zimmer zurückkamen, wo ich laut überlegte, ob ich den Fitzke wegen seiner Sammlung nicht vielleicht wenigstens ein winziges bisschen mögen sollte.
    Â»Nur weil er umgefallen ist?«, sagte Oskar abschätzig. Er hatte seine Sonnenbrille abgenommen und stand vor meinem kleinen Bücherregal, zog prüfend einzelne Bände hervor und schob sie wieder zurück. »Deswegen spinnt er trotzdem. Nennt einen pieseligen kleinen Stein seinen wertvollsten Besitz – dabei ist der keinen Cent wert!«
    Â»Bestimmt findet er ihn nur deshalb wertvoll, weil er ihm so viel bedeutet«, hielt ich dagegen. »Es ist immerhin sein erster Kalbstein, auf den er über fünfzig Jahre gewartet hat und –«
    Oskar drehte sich blitzschnell zu mir um und starrte mich an. Es war dieser grüne Stechblick, vor dem es kein Entkommen gibt. So ein Blick, der eine eigene Sprache hat und fiese Sachen sagt wie:
    Du glaubst auch jeden Blödsinn!
    Steine kann man nicht züchten!
    Ich frag mich, warum so ein Tiefbegabter wie du mein Freund ist!
    Und ich stand nur da in diesem grünen Blitzlicht und konnte nicht antworten, so schwer war mir auf einmal alles. Vor allem mein Herz. Seit gestern schlitterte es von einer Katastrophe in die nächste. Ich schätze, es wog inzwischen mehr als Fitzkes zehn schwerste Steine zusammengenommen. Es war schon traurig gewesen für Oskar, der selber ein gereizter Trauerklops war wegen seinem Vater, und traurig für Mama, die ein verängstigter Trauerklops war, wohl wegen ihrer Erpressung. Jetzt war es auch noch traurig für Fitzke, der schon als Kind allein gewesen war auf dieser Welt und der, um demgrauen Gefühl zu entgehen, seine Einsamkeit mit Steinen gefüllt hatte.
    Denn damit das mal klar ist: Ich bin nicht dermaßen total plemplem, dass ich wirklich ans Steinzüchten glaube. Aber es ist schön, sich vorzustellen, dass es funktionieren könnte. Es ist schön, sich in so eine Vorstellung reinplumpsen zu lassen wie im höchsten Hochsommer in ein Schwimmbecken mit kühlem blauem Wasser. Genau das hatte der Fitzke sicher auch irgendwann gedacht. Der Unterschied zwischen ihm und mir ist, schätze ich, dass er das Schwimmbecken und das Wasser inzwischen längst für echt hält und ihm die Jahreszeit und ihre Höhe sowieso egal ist.
    Jetzt, wo ich in Ruhe darüber nachdenken konnte, verstehe ich also, warum ich Fitzke plötzlich mögen wollte. Aber vor ein paar Stunden, als Oskar so vor mir stand und mich anstarrte, wusste ich es noch nicht. Da war es nur ein Gefühl, und es ist schwer, für ein Gefühl sofort passende Worte zu finden, und außerdem konnte ich Oskars grünen Blick nicht ertragen. Deshalb sagte ich bloß patzig:
    Â»Denk doch, was du willst, du Penner.«
    Â»Denk’s doch selber, du Pappkopf«, schnappte er zurück.
    Â»Sonnenbrillen-Spasti!«
    Â»Legastheniker!«
    Â»Streber!«
    Ich warf mich rücklings aufs Bett, guckte stur nach oben und fand Oskar einfach nur noch doof bis ans Ende aller Zeiten. Er schnappte sich mein Fremdwörterlexikon und verzogsich damit ins Wohnzimmer auf den Nachdenksessel am Fenster, weshalb ich Legastheniker nicht nachschlagen konnte, aber das war mir im Moment egal. Ich blieb liegen und starrte die Zimmerdecke an, als gäbe es da oben Gefühlsworte zu finden, fand keine und wünschte mir, ich wäre mehr der rationale Typ, sortierte alles mögliche Zeugs in das Schildkrötenkästchen rein und anderes Zeugs dafür raus, aber es war einfach nie genügend Platz, und irgendwann war es in meinem Kopf auch gar kein Schildkrötenkästchen mehr, sondern das von Fitzke mit dem Elefanten drauf, und zuletzt lag eine Schildkröte im Elefantenkästchen, und ein kleiner Stein mit einem Strich vom Ende der Welt quer drüber lag im Regal, und da gab ich es endlich auf.
    Im Kopf hörte

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