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Rico, Oskar und das Herzgebreche

Rico, Oskar und das Herzgebreche

Titel: Rico, Oskar und das Herzgebreche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Steinhöfel
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ich nur noch ein eintöniges Rattern und Klackern, und über diesem leisen Lärm schlief ich ein.
    Die Bingotrommel hatte mal wieder gewonnen.

    Ich wurde von Oskars Stimme wach, die irgendwas von Streifen im Hof oder so ähnlich sagte. Als ich die Augen aufschlug, saß er neben mir auf der Bettkante und kaute auf Studentenfutter rum.
    Â»Was hast du gesagt?«, murmelte ich verschlafen.
    Â»Streiten ist doof. Wir sollten das lassen.« Er warf sich noch ein paar Nüsschen in den Hals. »Es ist nicht gut für uns und es ist nicht gut für deine Mutter, wenn wir ihr helfen wollen.Von mir aus kannst du auch Steine züchten, wenn du willst.« Er kaute mit seinen Riesenzähnen und grinste. »Ich lasse dafür meine Sonnenbrille auch im Dunkeln auf. Okay?«
    Â»Okay. Krieg ich ein paar von den Nüsschen?«
    Â»Hier, sind die letzten.« Er ließ sie aus seiner verschwitzten kleinen Hand in meine rieseln.
    Â»Gibt’s gar keine mehr?«
    Â»Doch, in der Küche, aber wir müssen gleich los. Es ist kurz vor neunzehn Uhr.«
    Â»Ist das sechs oder sieben?«
    Â»Sieben.«
    Â»Schon?« Ich sprang aus dem Bett. »Schläft Mama noch?«
    Â»Ist seit einer Stunde auf. Wir haben uns unterhalten.«
    Â»Ãœber was denn?«
    Â»Ãœber Einträge unter G aus deinem Lexikon: Gigolo, Glazialerosion, Goniometrie, Guttapercha, Guillotine … Jetzt liegt sie in der Wanne.«
    Â»Wer?«
    Â»Deine Mutter.«
    GALIMATHIAS : Ein G-Wort, das Oskar mir bestimmt absichtlich verschwiegen hat. Es bedeutet nämlich umständliches Gerede oder verwirrendes Zeug. Man darf ihn echt nicht mit Büchern allein lassen.
    Er stapfte hinter mir her in den Flur. Ich klopfte schnell an die Badezimmertür und rief Tschüs. Mama blubberte irgendwas zurück, das sich anhörte wie schönen Gruß an Frau Dahling! Bestimmt lag sie völlig erschöpft in griechischem Mittelmeeraroma und träumte von einer Welt ohne Fremdwörter oder ohne Oskar.
    So wie ich manchmal von einer Welt ohne die Kessler-Mädchen träume. Die lauerten uns im Treppenhaus auf. Es war, als hätten sie gewittert, dass wir heute noch aus der Wohnung kommen würden. Mele hatte die Arme übers Treppengeländer gehängt, Afra hielt die Hände hinter dem Rücken versteckt. Beide strahlten uns an wie die Honigkuchenpferde, und beide kauten auf ihren Haaren rum, als wären es dünne Röhrchen mit Brausepulver drin.
    Â»Hallo!«, brüllte Mele.
    Afra kicherte.
    Vor langer Zeit hat Frau Kessler sich mal mit Mama darüber unterhalten, wie es ist, zwei Jungen und zwei Mädchen so schnell hintereinander auf einmal zu kriegen und sie großzuziehen. »Da denkt man zuerst, das Leben wäre ein einziger unauflösbarer Knoten. Stress und Geschrei, ständig auf Trab. Aber letztlich, nicht wahr, stellt man doch immer wieder fest, dass der Knoten eigentlich aus vielen bunten Schleifchen besteht.«
    Frau Kessler hatte ein wenig verkrampft gelächelt, sich mit einer Hand die wirren Haare aus der Stirn gestrichen und mit der anderen an den Grießbreiflecken auf ihrem Pullover gekratzt, und Oskar und ich hatten jetzt zwei von ihren Schleifchen am Hacken.
    Â»Wohin geht ihr?«, brüllte Mele. »Löst ihr einen neuen Fall?«
    Â»Wir gehen rauf«, sagte ich genervt und schob mich an ihr vorbei die Treppe hoch. Oskar versuchte es auch, kam aber nicht weit. Afra streckte ihm plötzlich eine Hand entgegen. Für einen schrecklichen Moment dachte ich, dass sie ihm eine Blümchen-Unterhose unter die Nase halten wollte. Aber es war nur ein kleiner Teddybär.
    Oskar musterte das Bärchen durch seine Sonnenbrille, als wäre es ein pelziger Außerirdischer, der dumm genug gewesen war, auf der Erde notzulanden. Afra kicherte, ließ aber die Hand nicht sinken. Als Oskar den Teddy endlich nahm, wurden seine Ohren so rot, als wollten sie verglühen wie das Raumschiff der Außerirdischen beim Eintritt in die Erdatmosphäre.
    Â»Danke«, murmelte er, und endlich hatten wir freie Bahn und schossen die Treppe rauf, verfolgt von Afras aufgeregtem Gekicher und einem letzten Brüllen von Mele:
    Â»Ich finde dich total niedlich, Rico Doretti!«
    Klar, jetzt war ich ja auch in der Zeitung gewesen und um ein Haar im Fernsehen. Aber letztes Jahr, als sie mich dabei beobachtete, wie ich höflich am Briefkasten anklopfte, um zu hören, ob Post

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