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Rico, Oskar und das Herzgebreche

Rico, Oskar und das Herzgebreche

Titel: Rico, Oskar und das Herzgebreche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Steinhöfel
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abgewetztem grünem Einband aus einem hohen Fach. »Mein Journal. Hier drin hab ich alles aufgeschrieben: die Herkunft jedes Steins, die Sammeldaten, welcher gerade bei welchem liegt, seit wann und in welchem Zimmer. Und natürlich die Abgänge.«
    Er winkte uns heran, schlug das Buch auf und blätterte einzelne, handbeschriebene Seiten voller Tabellen und kurzer Texte um. Er hatte sogar Bildchen dazu gezeichnet, bemerkte ich überrascht. Sie waren richtig hübsch.
    Â»Du kannst sie nicht willkürlich miteinander kreuzen, verstehst du?«, wandte er sich direkt an mich, als wäre Oskar für ihn gar nicht mehr da. »Ein Wasserstein bringt nix mit ’nem Feldstein, musst du gar nicht erst versuchen. Völlig verschiedene Lebensbedürfnisse. Dasselbe gilt für Küstensteine und Waldstei-«
    Mitten im Satz verwandelte das letzte Wort sich in ein dumpfes Kchhhh! . Fitzke riss die Augen weit auf und presste eine Hand gegen die Brust. Mit der anderen Hand fuchtelte er verzweifelt in der Luft herum. »Badezimmer«, röchelte er.
    Er knallte rücklings vor uns auf den Teppich.
    Uralter Staub wirbelte auf.
    Wenn Dinge so plötzlich und unerwartet passieren, dauert es mit dem Denken bei mir immer etwas länger. Bis ich fertigüberlegt hatte, wie wir Fitzke ins Badezimmer tragen sollten und was er überhaupt dort wollte – denn schließlich war er ja ausnahmsweise schon gebadet und so weiter, was nur bedeuten konnte, dass er aufs Klo musste, und er sollte mal bloß nicht denken, dass ich ihm die Hose runterziehen würde –, war Oskar längst losgezischt. Gleich darauf war er wieder zurück. Er hielt einen Plastikstreifen mit Tabletten in der Hand.
    Â»Betablocker«, sagte er. »Herztabletten. Das müssen sie sein.«
    BETABLOCKER : Bei Stress schießen andere Hormone durch den Körper als die für Puller und Busen. Sie docken an irgendwelchen Betas an, lassen das Herz wild drauflospumpen, und mit etwas Pech dann PENG! Die Blocker halten die Hormone vom Andocken ab. So ähnlich funktioniert mein Gehirn im Matheunterricht.
    Oskar drückte eine der Herztabletten aus der Packung, hob Fitzkes Kopf an und schob sie ihm zwischen die Zähne. Ich schnappte mir eins der ungewaschenen leeren Gläser vom Tisch, schöpfte damit Wasser aus dem nächsten Aquarium und flößte es Fitzke vorsichtig ein. Seine faltigen Lippen waren blassblau und er zitterte, als er mehrere kleine Schlucke nahm. »Schön langsam«, sagte Oskar so ruhig, als hätte er jedeMenge Erfahrung mit Männern, die zusammengebrochen in der Gegend herumlagen, weil sie es nicht bis aufs Klo geschafft hatten.
    Ich guckte mir die bläulichen Zitterlippen an und die langen Nasenlochhaare obendrüber. Fitzke machte ein Geräusch wie ein weinendes Kind. Ich hätte nie gedacht, dass er mir mal leidtun könnte. Ich hatte geglaubt, er machte nur eine Schau, wenn er behauptete, dass er es am Herzen habe. Keiner im Haus hatte ihm geglaubt. Ich kam mir fürchterlich schäbig vor.
    Â»Sollen wir einen Arzt rufen?«, sagte Oskar, als das Zittern aufgehört hatte und Fitzke sich aufsetzte. In die alten Lippen kehrte langsam wieder die richtige Farbe zurück.
    Â»Nee, lasst mal, die Tabletten richten das schon«, wehrte er ab und erhob sich umständlich vom Boden. Als wir ihn stützen wollten, schlug er uns heftig auf die Finger. »Das verdammte Herz tanzt mir auf der Nase rum, das ist alles.«
    Â»Aber vielleicht sollten wir doch –«
    Â»Ich brauch keinen Arzt, Herrgott noch mal!« Fitzke packte uns bei den Schultern und schob uns dermaßen schnell vor sich her in den Flur, dass wir beide stolperten. »Und jetzt verschwindet, ab mit euch. Raus hier!«
    Im nächsten Moment Tür auf, Schubs in den Rücken, und RUMMS!
    Mein lieber Schwan! Der soll bloß nicht denken, dass ihm noch mal einer das Leben rettet. Schon gar nicht, wenn er vorher nicht die versprochenen Kekse und den Saft rausrückt.

 
    Â 
    Es könnte wunderbar praktisch sein, nur noch nachts ins Tagebuch zu schreiben, so wie jetzt. Mama ist im Club, Oskar schläft auf der Blümchenwiese und ich sollte eigentlich meine Ruhe haben.
    Hab ich aber nicht.
    Seit heute Abend bin ich sauer auf den Bühl.
    Ich hatte eigentlich gehofft, er könnte Oskar und mir nach seiner Rückkehr aus dem Urlaub vielleicht doch irgendwie helfen bei der

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