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Rico, Oskar und das Herzgebreche

Rico, Oskar und das Herzgebreche

Titel: Rico, Oskar und das Herzgebreche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Steinhöfel
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dafür entwickeln, welcher Stein zu welchem will, das ist alles. Dann legst du sie zueinander. Das Alter spielt keine Rolle.«
    Â»Und wenn das Gefühl falsch war?«, sagte ich.
    Â»Das kriegst du ganz schnell mit. Wenn sich nach acht, neun Jahren nichts getan hat, trennst du sie einfach wieder. Den scharfkantigen gibst du noch ein, zwei Jahre dazu, die brauchen von Natur aus etwas länger. Weiß nicht, warum.«
    Â»Und dann?«
    Â»Legst du sie mit passenderen anderen Steinen zusammen.«
    Â»Mit einem neuen Gefühl?«
    Fitzke nickte ernst. »Ohne das richtige Gefühl geht gar nix.«
    Neben mir verdrehte Oskar die Augen. Ich versuchte ihn nicht zu beachten und schaute mich suchend um. »Hat’s schon mal geklappt?«
    Â»Was denkst du, dass ich mein Leben verplempert habe, oder was? Natürlich hat’s geklappt!« Fitzke stapfte zum Wohnzimmerschrank, zog einen kleinen Schlüssel aus der Tasche und schloss umständlich eine der vielen Türen auf.
    Â»Wir müssen sofort hier raus«, flüsterte Oskar mir ins Ohr,den Blick auf Fitzkes Rücken geheftet. »Der ist übergeschnappt!«
    Ich schüttelte unwillig den Kopf. Er musste das hier ja nicht mögen, aber ich fand es total aufregend. Am liebsten hätte ich sofort auch ein paar Steine gezüchtet, auch wenn ich noch nicht so richtig davon überzeugt war, dass es funktionierte. Aber Gefühle hatte ich genug, damit würde ich bestimmt ein paar super Pärchen hinkriegen. Die Wartezeit fand ich zwar etwas zu lang – bestimmt vermehren sogar Schnecken sich schneller, und die sind schon nicht die Flinksten –, aber womöglich machte Fitzke was falsch und man konnte das Züchten irgendwie beschleunigen.
    Als er sich zu uns umdrehte, hielt er ein Kästchen in den Händen. Ich schnappte nach Luft. Es war ein altes Kästchen aus dunklem Holz, in das ein Elefant aus Elfenbein eingelassen war. Es war etwas kleiner als mein Schildkrötenkästchen, aber dafür war es auch schöner. Die Ähnlichkeit war unglaublich.
    Â»Hab ich noch keinem gezeigt, ihr seid die Ersten«, murmelte Fitzke und klappte den Deckel hoch. »Hier, mein Kalbstein. Mein wertvollster Schatz.«
    Ich hätte nie geahnt, dass seine raue Stimme so zärtlich klingen könnte. Ich hätte auch nie geahnt, dass Steinzucht was mit Kühen zu tun hatte.
    Â»Wenn Gletscher oder Eisberge sich teilen«, erklärte Fitzke, der meinen fragenden Blick bemerkte, »sagt man, dass sie kalben. Dasselbe gilt für Steine.«
    Oskar und ich reckten gleichzeitig die Hälse. Das Kästchenwar mit blauem, weichem Stoff ausgeschlagen. Der Stein selber war kleiner als mein Daumennagel und knubbelig wie eine winzige Kartoffel, graubraun mit einem weißen Streifen in der Mitte. Er sah so normal aus, dass ich mich auf der Straße oder im Park niemals danach gebückt hätte. Trotzdem fand ich ihn wunderschön. Ich streckte eine Hand aus.
    Â»Flossen weg!« Fitzke klappte ruck, zuck das Kästchen zu. Wäre ich ein paar Zentimeter langsamer gewesen, hätte ich jetzt keine Finger mehr. Ich hätte beleidigt sein sollen, aber ich war immer noch viel zu bezaubert von den vielen Steinen in der Wohnung, vor allem von denen im Badezimmer, und von dem Kalbstein erst recht.
    Â»Wo sind seine Eltern?«, sagte ich neugierig.
    Â»Verkauft«, antwortete Fitzke knapp. »An einen anderen Züchter.«
    Ich hörte ein kleines Schnauben von Oskar. Es klang wie So langsam reicht mir der Quatsch, und mit genau so einem Blick sah er Fitzke jetzt an. »Und der Stein, den Sie vor zwei Wochen nachts in den Hof geworfen haben …«, begann er, aber Fitzke schnitt ihm das Wort ab, mit einer von diesen Wegwerfbewegungen, als wäre das nicht wirklich wichtig oder interessant. Bis jetzt hatte ich geglaubt, er habe uns eingeladen, um uns genau das zu erklären – wie er Mister 2000 erledigt hatte. Jetzt war ich mir nicht mehr so sicher.
    Â»Dieser Stein hatte keinen Taug«, schimpfte er. »Lag fünfzig Jahre lang faul herum, mal in diesem Zimmer, mal in jenem, bis er mich endlich so weit hatte, dass ich ihn 1998zu den Wassersteinen ins Bad brachte. Wo er wieder nur auf der faulen Haut lag. Dann war das Maß voll, also warf ich ihn vor zwei Wochen raus.« Er ging zurück zum Schrank, stellte das Elefantenkästchen mit dem Kalbstein darin ab und zog ein dickes Buch mit

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