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Rico, Oskar und der Diebstahlstein

Rico, Oskar und der Diebstahlstein

Titel: Rico, Oskar und der Diebstahlstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Steinhöfel
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Fräulein. Die Mutter hatte sich früh aus dem Staub gemacht. Geschichte wiederholt sich – das stammt nicht von mir, das hat jemand Schlaues gesagt. Wäre besser, die Julia würde sich von keinem ein Kind andrehen lassen. Liegt wohl in der Familie, dass regelmäßig ein Elternteil stiften geht.« Der Mommsen lachte erneut auf, wurde aber sofort wieder ernst, als er Oskars düsteren Blick bemerkte. Er zeigte erneut aufs Hinterhaus.
    Â»Wie gesagt, die wohnten da oben. Als ich meinen Posten hier antrat, waren sie aber schon ein paar Jahre nicht mehr da.«
    Â»Aber gestern«, schaltete Oskar sich wieder ein, »war Julia mit ihrem Vater auf dem Friedhof? Um sich von Fitzke zu verabschieden?«
    Mommsen nickte.
    Â»Und um Sie um den Schlüssel zu Fitzkes Wohnung zu bitten?«
    Â»Genau.«
    Â»Hat sie ihn noch? Den Schlüssel?«
    Â»Keine Ahnung, da müsste ich nachsehen.« Der Mommsen schaute in Richtung Hausdurchgang, zu den Briefkästen. »Wollte ihn mir einwerfen.«
    Â»Sammeln die beiden auch Steine?«, sagte ich. »Fitzke hat sie doch früher bestimmt mal mitgenommen, wenn er welche suchte.«
    Â»Nee, Blödsinn. Das mit den Steinen, das war doch sogar der Grund dafür, warum der Bonhöfer zuletzt mit Fitzke nichts mehr zu tun haben wollte. Hatte irgendwann die Nase voll von dem Schwachsinn.« Mommsen zog lautstark die eigene Nase hoch und rotzte auf den Boden. »Steine züchten! Da muss einer auch erst mal draufkommen, auf so einen Stuss.«
    Â»Aber Julia hatte die Nase nicht voll?«, sagte Oskar. »Jedenfalls nicht voll genug, um nicht wenigstens einen Stein von ihm zur Erinnerung haben zu wollen?«
    Der Mommsen musterte interessiert seine über den Boden verteilte Rotze. »Wird wohl so sein.«
    Â»Wissen Sie, wie wir sie erreichen oder wo wir sie finden können?«
    Â»Nee. Keine Ahnung. Da müsstet ihr schon ihren Vater fragen.«
    Â»Und wo wohnt der?«
    Jetzt plusterte der Mommsen sich auf. »Wie käme ich denn dazu, euch kleinen Flitzpiepen die Adresse –?«
    Â»Wie kämen wir denn dazu«, unterbrach Oskar ihn scharf, »der Hausverwaltung mitzuteilen, dass Sie Fitzkes Wohnung einer Unbefugten zugänglich gemacht haben? Da liegen noch Bargeld und Sparbücher herum. Sie können von Glück reden, dass Julia sich dafür offenbar nicht interessiert hat.«
    Mein lieber Schwan. Das war Erpressung!
    Aber sie funktionierte.

    Der Mommsen hatte uns eine Adresse in Lankwitz genannt, deshalb nahmen wir ab Südstern die U-Bahn. Ein paar Stationen weiter würden wir auf die S-Bahn umsteigen müssen. Anschließend dann noch Bus und ein Stück zu Fuß. Allein hätte ich mich das nicht getraut, und wenn überhaupt, dann nur mit Proviant für mindestens drei Tage im Rucksack, falls ich mich völlig verfranzte und in Sri Lanka oder dergleichen rauskam.
    PROVIANT
: Die Franzosen haben das Wort aus zwei anderen Wörtern zusammengebastelt, die sie vorher den Italienern geklaut haben. Es bedeutet Mundvorrat. Ich hätte es Rucksackvorrat genannt, weil in einen Rucksack mehr reinpasst, oder Mundraub, weil es eben ein geklautes Wort ist, aber eigentlich ist das egal. Hauptsache, man packt genug davon ein, bevor man durch die Gegend fährt.
    Mit Oskar dabei musste ich mir keine Gedanken machen, jedenfalls nicht ums Verfahren. Gedanken machte ich mir trotzdem, aber die hatten mit der Dieffe 93 zu tun.
    Â»Ist doch komisch, oder?«, sagte ich, nachdem wir am Südstern eingestiegen waren.
    Â»Was?«
    Â»Mit Häusern und den Leuten, die darin wohnen. Zum Beispiel hat vor mir und Mama der Marrak in unserer Wohnung gewohnt. Aber vor ihm haben ja auch schon Leute darin gewohnt, vor denen bestimmt Leute darin gewohnt hatten, die nach Leuten eingezogen waren, die auch schon darin gewohnt hatten. Darüber habe ich noch nie nachgedacht.«
    Â»Ich auch nicht«, sagte Oskar abwesend.
    Â»Wenn man sich all diese Leute zusammen in der Wohnung vorstellte, gäbe das morgens eine ziemlich lange Warteschlange vor dem Klo, was?«
    Â»Tja«, machte Oskar, und dann guckte er zum Fenster der brausenden U-Bahn raus in den dunklen Tunnel, und plötzlich war es wie das geheimnisvolle Dunkel der Vergangenheit und der Zukunft. Von beiden wusste man gar nichts. Ich hatte zum Beispiel keine Ahnung davon gehabt, dass in der Dieffe 93 früher mal ein Steine züchtender

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