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Riedripp: Kriminalroman (German Edition)

Riedripp: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Riedripp: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Boenke
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    Die ernste Kommissarin tippte mit dem Plastikzahnstocher alles in ihr elektronisches Begleiterchen. Danach wurden kurz die Bäuerin und anschließend auch ich befragt, wenn auch etwas länger.
     
    Tobi hatte sich in die Küche mit der niedrigen Decke verzogen. Er saß neben dem alten Holzofenherd, hatte mit einem Schürhaken die gusseiserne Kasserolle mit dem Schweinsbraten auf eine kalte Herdstelle gezogen und mit einer überdimensionalen Fleischgabel ein paar abgelöste Stücke vom weich gegarten Fleisch stibitzt. Nun stocherte er noch in der Soße herum, um ein Scheibchen Steinpilz zu ergattern. Die Oma saß in ihrer schwarzen Kleidung auf der Eckbank, gebeugt unter dem Herrgottswinkel, der die üblichen Utensilien, nämlich ein schräg hängendes Holzkruzifix, verblasste Heiligenbildchen und einen dürren Thujawedel vom letzten Palmsonntag barg. Die 83-jährige Witwe grinste ihren Enkel kurz an, dann zog sie eine Perle des Rosenkranzes weiter, der in ihren altersfleckigen, gefalteten Händen verschlungen war:
    »… und gebenedeit sei die Frucht deines Leibes Jesu.«
    Sie unterbrach ihr Gebet und schaute zu ihrem Enkelkind:
    »Das hat dir schon als kleiner Bub geschmeckt, weicher Schweinebraten und Pilze.«
    Nachdenklich, das faserige Fleisch kauend, blickte Tobi durch die kleine, verdreckte Scheibe mit dem vergilbten Häkelvorhang. Dann wanderte sein Blick auf das ehemals weiß gestrichene hölzerne Fensterbrett, auf dem sich ein Panoptikum unterschiedlichster Gegenstände befand. Das Auffälligste war eine 30 Zentimeter große Madonnenfigur mit Kind. Das Jesuskind, das mühelos von seiner blau bemantelten Mutter auf dem linken Arm getragen wurde, sah aus wie ein kleiner Erwachsener mit blond gelocktem Haar und blauen Augen. Vermutlich war der junge Jesus ein Arier, mit Sicherheit kein Jude. Die Nasenspitzen von Mutter und Kind waren abgebrochen, sodass der weiße Alabaster zum Vorschein kam. Hinter der Madonnenfigur stand ein silbernes Beistellkreuz, das man ansonsten neben Verstorbenen aufstellte. Um das Kreuz war ein Rosenkranz gewickelt, der wiederum einen rindenlosen Stecken an das Kreuz fesselte. Neben der Madonna mit Kind saß, deutlich kleiner, eine Engelsfigur, sie hob Blick und Hände gen Küchendecke. Zum Engelsarrangement gehörte eine leere Eierschale aus Porzellan, aus der der kleine Racker wohl gerade geschlüpft war. Am Rücken trug er winzige, blaue Flügelchen mit vergoldeten Spitzen. Neben dem Eierengel stand ein Aral-Wackeldackel aus den 70er-Jahren. Tobi ging kauend zu ihm hin und verpasste ihm einen sanften Nasenstups. Der Dackel nickte dankbar mit dem Kopf.
    Tobi schüttelte ebenfalls den Kopf und murmelte:
    »Mittelalter, das ist alles wie im Mittelalter, alles Scheiße.«
    »Was hast du gesagt?«
    »Ach nichts, ich denke, dass ich heute noch in die Pilze geh. Steinpilze gibts gerade.«
    Die Oma nickte und erhob ihre Stimme zum schmerzhaften Rosenkranz:
    »Jesus, der für uns Blut geschwitzt hat. Jesus, der für uns Blut gegeißelt worden ist. Jesus, der für uns Blut mit Dornen gekrönt worden ist.«
    Tobi fuhr seiner Oma kurz über das graue Haar und verschwand lautlos aus der Küche.
    »Jesus, der für uns Blut das schwere Kreuz getragen hat. Jesus, der für uns Blut gekreuzigt worden ist.«
     
    Auf dem Hof stand die wohlgeformte Kommissarin mit einem adretten, blütenweißen Handy – es war fünf Mal kleiner als das meinige – und sie sprach fast zärtlich leise mit ihm. Ich verstand Worte wie:
    »Spurensicherung, vermutlich menschlich, seltsam, Verbrechen, Bönle, wer sonst.«
    Nachdem das winzige Telefon mühelos in einer noch winzigeren Krokoleder-Imitat-Handtasche verschwand, meinte sie freundlich in meine Richtung:
    »Wir brauchen Sie hier nicht mehr, Herr Bönle, die Spurensicherung kommt gleich.«
    Ihr rangniedrigerer Kollege in Uniform, der bis jetzt schweigend neben ihr stand und sie auf Schritt und Tritt wie ein artiges Hündchen begleitete, nickte wichtig. Meinem Blickkontakt konnte er jedoch nicht lange standhalten.
    »Ich habe Zeit.«

5 Krautgespräche
    Das Buch der Weisheit
    8:8 Wenn jemand nach reicher Erfahrung strebt: sie kennt das Vergangene und errät das Kommende, sie versteht, die Worte schön zu formen und Rätselhaftes zu deuten; sie weiß im voraus Zeichen und Wunder und kennt den Ausgang von Perioden und Zeiten.
     
    Zuhause erwartete mich die zweite große Überraschung des Tages. Als ich in den Tulpenweg einfuhr, sah ich, dass Cäcis roter

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