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Riedripp: Kriminalroman (German Edition)

Riedripp: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Riedripp: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Boenke
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Chance und neben mir mein stummer Deputy. Passend dazu fiel meinem erstaunlichen Gehirn Bob Marleys Liedchen vom bedauernswerten Sheriff und vom Deputy ein und es swingte dazu im Reggae-Rhythmus:
     
    I shot the sheriff, but I did not shoot the deputy.
    I shot the sheriff, but I swear it was in self-
defense.
    I shot the sheriff, and they say it is a capital
offense.
     
    Zur Berufsschule war ich gekommen wie Politiker zum Verstand, das Telefon hatte geklingelt: Wir hätten da etwas Attraktives auf Angestelltenbasis für Sie. Sechs Stunden Religionsunterricht an der Berufsschule … Gute Bezahlung … Pädagogische Herausforderung … Mit Ihrem Studium gar kein Problem … Nette Kollegen, ehrlich, erdig, unkompliziert.
    Und schon konnte ich meinem erlernten Beruf nachgehen. Nach Jahren beruflicher Inkontinenz – immer wieder tröpfelte etwas mehr oder weniger Attraktives an mich heran – nun endlich mal was Festes und dann gleich sechs Stunden. Das war überschaubar und von meinem Wohn-, Heimat- und Lebensort Riedhagen aus benötigte ich mit meinem Milwaukee-Eisen gerade mal 16 Minuten von meinem Erbhaus bis zum Arbeitsplatz Schule. Nun könnte ich auch meine Arbeit als Mädchen für alles in der Gemeinde etwas reduzieren. Die katholische Kirche hatte gern auf mich als studierten Theologen zurückgegriffen, um mich mit so wichtigen Tätigkeiten wie Friedhofspflege, Aushilfs-Mesnerei und Lebensberatungskursen kostengünstig anzustellen. Nach dem Unfalltod meiner Eltern war ich nach Riedhagen zurückgekehrt, um deren Haushalt aufzulösen. Über die Planung des Auflösungsprozesses war ich nie hinausgekommen. Mittlerweile fühlte ich mich sehr wohl im geerbten Haus, mit der herrlich riedblickenden Wohnlage. Ich hatte alles, was ich brauchte. Ein Haus, ein Motorrad, Erbgeld, eine gute Figur und vor allem Cäci. Riedhagen war für mich die Wahlheimat der Bequemlichkeit geworden. Es mangelte mir an nichts.
    Tobi schwieg immer noch neben mir her. Donnerstags nahm ich ihn von der Berufsschule mit nach Hause, ansonsten hätte er noch zwei Stunden auf eine günstige Busverbindung ins abgelegene Riedhagen warten müssen. Tobi war das einzige Kind des Bauernehepaares Fränkel. Sie hatten einen kleinen Hof am Rande des Pfrunger-Burgweiler Rieds und kamen, nachdem sie die Dorfmetzgerei vor zwei Jahren aufgeben mussten, eher schlecht als recht über die Runden. Mit sechs Milchkühen und acht Schweinen, einem Deckeber und einem alten Haflinger war das Leben im Ried kein Ferien-Traumschiff vor Ibiza. Mit Schwarz-Metzgern in Riedhagen und Umgebung verdienten sich Fränkel und sein Sohn etwas dazu. Die Jäger-Schweinswürste mit viel Majoran und ›geheimen‹ Kräutern genossen sogar überregionale Anerkennung.
     
    Für den donnerstäglichen Personennahverkehr hatte ich extra das Klebesitzpad für meine nachtschwarze Schöne aus Milwaukee im Rucksack mitgebracht. Eigentlich war meine Harley Davidson Street Bob für den Ein-Mann-Betrieb konzipiert. Es gab jedoch Situationen, in denen ein Sozius-Betrieb von erotischem Vorteil war, und so hatte ich an mein Eisen zusätzliche Fußrasten angebracht und mir ein sündhaft teures Saugnapfsitzpad für den hinteren Kotflügel käuflich erworben. Auf diesem Hasenfänger thronte nun Tobi, als wir in südliche Richtung ins 20 Kilometer entfernte Riedhagen aufbrachen.
    Mittlerweile hatte die morgendlich-nebelige Stimmung einem fast schon frivol dunkelblauen Herbsthimmel Platz gemacht. Herrlich war es, mit der drehmomentstarken Kraft des schweren, grummelnden 1.600 Kubikzentimeter fassenden Motors, in klassischer V-Form angeordnet, nur durch einen zarten Dreh am Gasgriff durch die Landschaft des Rieds geschoben zu werden. Heute wählte ich zur Rückfahrt die längere, aber reizvollere Strecke, die uns von Ostrach ab über Spöck, Burgweiler, Waldbeuren, Ulzhausen und Egelreute direkt durch das Riedgebiet schließlich nach Riedhagen führte. Sonor schüttelte uns das brachiale Kult-Eisen mit lässigen 2.500 Motor-Umdrehungen pro Minute über die wellige Riedallee. Das Weiß der Birkenrinden verschwendete seinen Glanz auf fast schon unanständige Art und Weise an die Umwelt. Das Goldgelb der Blätter zitterte an uns vorüber. Schlaglichtartig leuchtete großzügiges Rot von Beeren und Blättern. Ein Hase sprang plötzlich aus dem hohen Gras auf die Straße, bemerkte die Gefahr, unterbrach die beabsichtigte Überquerung der schmalen Straße und hüpfte in wildem Zickzack einige Meter

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