Riemenschneider
Herz heftiger. Befohlen? Immer musste sie die Herrin hervorkehren, niemals ein Wort auf gleicher Stufe, und dabei arbeite ich mehr als sie, sorge mich mehr um die Buben, auch wenn sie jetzt schon junge Kerle sind. Magdalena bemühte sich, ruhig zu bleiben. »Das sind vielleicht zwei Fingerbreit. Da unten im dunklen Flur merkt das niemand.« Sie wagte ein Lächeln. »Ich denke, der Vorhang kann so bleiben. Meint Ihr das nicht auch?«
»Du wagst es …« Margarethe warf den Stoff hin, mit einem schnellen Schritt stand sie vor ihr, die eckigen Schultern vibrierten. »Ich zeige dir, was ich meine.«
Der Schlag traf das Lächeln. Magdalena hob schütztend die Arme, der Schreck entsetzte sie, Worte fehlten, mit offenem Mund starrte sie die Frau des Bildschnitzers an. So bitter roch der Atem. Wieder zuckte die Hand vor, kein Schlag, Margarethe kniff die Magd in den Oberarm, gleich in die Halsseite, in die Brust … »Ja, ich zeige dir, verdammtes Weib, wem du zu gehorchen hast.« Nun stießen beide Hände wie Schlangen vor, die mit Nägeln bewehrten Fingermäuler bissen in den Bauch, wieder und immer wieder in die Brüste.
Magdalena weinte. Diese Schmach. Sie vergaß sich zu wehren, der Schmerz nahm zu, breitete sich mehr und mehr aus. »Aufhören«, schluchzte sie. »Bitte aufhören. Bitte!«
Unvermittelt ließ die Herrin von ihr ab und stellte sich mit dem Rücken zum Tisch.
Magdalena sank auf den Schemel. Hätte sie mich nur geschlagen, dann wäre es eine Strafe gewesen, ungerecht, aber wenigstens eine Strafe. Die Tränen stiegen wieder. Aber … zerquetscht hat sie mich, zerquetscht wie eine Küchenschabe. »So was dürft Ihr nicht tun. Niemand darf das.«
»Du bist meine Magd. Ich kann mit dir machen, was ich will.«
»Nein, nein«, flüsterte Magdalena und atmete gegen die Übelkeit.
»Längst hätte ich dich mir vornehmen sollen. Ich war eben zu gutmütig, aber damit ist nun Schluss.«
»Was habt Ihr gegen mich?« Magdalena schluckte das Würgen hinunter. »Der Vorhang da kann es doch nicht sein?«
Margarethe pochte mit den Knöcheln auf den Tisch. »Seit ich vor Jahren als Hausfrau hier eingezogen bin, spüre ich, wie wenig du mich achtest. Kein Respekt, das ist der Hauptgrund. Außerdem …« Sie hielt dem Blick nicht stand, drehte sich um und sah zum Fenster hinaus. »Du glaubst wohl, dass du etwas Besseres bist. Aber du bist nur eine Magd wie die anderen. Und ich verbiete dir, nach Feierabend noch in die Werkstatt zu gehen.«
»Wenn der Herr mich ruft, muss ich gehorchen …«
»Mir hast du zu gehorchen.«
Die Kraft kehrte zurück. Magdalena stand auf. »Wenn es um die Arbeit geht, nur dann gehorche ich Euch.« Sie hob die Stimme. »Nur dann, Herrin!«
Frau Margarethe raffte den Vorhang auf und schleuderte ihn der Magd vor die Brust. »Und du wirst den Saum auftrennen. Zwei gleiche Hälften verlange ich. Und wenn nicht …« Sie brach ab, stürmte zur Tür und schlug sie hinter sich zu.
Im gleichen Schwung warf Magdalena den Stoff zurück auf den Tisch. »Ekelhafter Drache. Ich werde dir deinen verdammten Vorhang nähen, aber nicht heute.« Vorsichtig betastete sie die schmerzenden Stellen. »Der Satan soll dich holen. Nicht mehr in die Werkstatt gehen? Das hast du dir so gedacht.« Magdalena hob das Kinn. »Jetzt gleich werde ich runtergehen und ihm sagen, was du mir angetan hast.« Entschlossen verließ sie die Nähstube, kehrte wieder zurück und faltete den Stoff, dann ging sie hinaus.
Im Hof begegnete ihr Barthel, missgelaunt trug er einen Korb mit Holzspänen von der Werkstatt zum Schuppen hinüber.
»Ist der Meister drinnen?«
Der Vierzehnjährige schüttelte die roten Locken. »Vater war nur heute Morgen da. Dann ist er rüber zur Sitzung.«
Im ersten Moment wollte sie fragen, warum er solch eine Sauermiene zeigt, unterließ es aber. Ganz gleich, was dich geärgert hat, mir geht es heute nicht besser, ich sehe bestimmt nicht fröhlicher aus. Ohne zu überlegen, verließ Magdalena schnellen Schritts den Hof; am Ende der Franziskanergasse fiel ihr ein, dass sie einfach so gegangen war und sich nicht bei der Herrin abgemeldet hatte. »Ist mir egal«, schimpfte sie halblaut vor sich hin. »Ehe die sich über mich beschweren kann, habe ich ihn schon gesprochen.« Die erlittene Schmach ließ die Fantasie wuchern. »Und dann soll er den Knüppel nehmen …«
Sie schwieg, schaute sich sicherheitshalber um, niemand hatte mitgehört. Doch das Bild forderte gleich das nächste heraus. Besser noch spannte er sie auf
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