Riemenschneider
den Zöpfen zu bedeuten? Wieso …?
Jetzt winkten beide ausgelassen zum Zollhaus hinüber.
Magdalena verengte die Augen, suchte in der Schlange. Ein Mann hob die Hand, grüßte zu den jungen Leuten hinüber. »O Heilige Jungfrau, nein.« Grüngelb das Barett, in giftigem Grün der Schultermantel. »Lass es nicht wahr sein!«
Mit leicht tänzelndem Schritt ging Hans Bermeter am Zollhaus vorbei, dem Wächterpaar schnitt er eine Grimasse. Seit er die Bürgerrechte der Stadt erhalten hatte, bereitete es ihm sichtliches Vergnügen, nun endlich, sooft er wollte, kostenfrei die Brücke über den Main zu nutzen.
Der Himmel erhörte ihr Stoßgebet nicht. Magdalena wollte es selbst verhindern, setzte einen Fuß vor und konnte doch nur zusehen, wie der Spielmann von den beiden freudig empfangen wurde, wie er Florian spielerisch gegen die Brust stieß und sich dann galant vor Katharina verbeugte.
»Dieser alte verdammte Bock.«
Mit schnellem Griff zauberte er eine blinkende Kette aus der Tasche, ließ sie vor den Augen der jungen Frau hin und her schaukeln. Als sie danach griff, wippte er die Kette ein Stück höher, und Katharina versuchte danach zu schnappen, hüpfte auf Zehenspitzen … Einige Passanten sahen kopfschüttelnd auf die Gruppe und gingen mit hochgezogenen Brauen weiter.
»Völlig ungeniert.« Magdalena fasste es kaum. »Benimmt sich da wie ein albernes Schaf. Und der alte Bock hat seinen Spaß daran.« Wütend starrte sie auf ihren Sohn, auch er lachte über Katharinas vergebliches Bemühen. »Du solltest dich schämen … Ach, verflucht, wenigstens schämt sich deine Mutter für dich.«
Bermeter beendete das kleine Spiel, großzügig überließ er dem Mädchen das Geschenk. Rasch legte es die Kette an, zeigte sich Florian und strahlte. Der Spielmann deutete in Richtung Stadtgraben. Wie gute Freunde einen Freund nahmen die beiden Bermeter in ihre Mitte, so spazierten sie fröhlich schwatzend gemeinsam vom Brückenaufgang nach rechts in die Seitenstraße.
Es dauerte, bis Magdalena begriff. Kein böser Traum. Nein, keine heimtückische Gaukelei des Teufels. »Freiwillig, ganz freiwillig gehen die Kinder mit ihm.«
Vergessen war der eigene Kummer, die erlittene Schmach. Magdalena folgte ihnen. Immer wieder flüsterte sie: »Und ich habe nichts gemerkt. Verflucht, wie blind bin ich denn?«
Versteckspiel oder größerer Abstand waren nicht nötig. In Hörweite vor ihr erzählte Bermeter eine schlüpfrige Geschichte oben vom Marienberg; als Florians Lachen fast schon verklungen war, stieg erst das übertrieben helle Gekicher der Riemenschneidertochter in der halbdunklen Gasse auf. Am Hinteren Gressenhof blieben die drei stehen. Magdalena zögerte, trat dann aber doch in den Schutz eines Hauswinkels.
»Wir Männer gehen noch auf einen Schluck. Dabei wollen wir mal sehen, ob wir auch was gegen das Würfeljucken tun können.« Keine Frage, kein Vorschlag, Bermeter bestimmte und schnippte Florian, der wandte sich an das Mädchen. »Geh heim!«
»Aber Flori …«
»Die Herrin wundert sich sicher schon, wo du so lange bleibst.«
»Bestimmt nicht. Sie hat mich selbst zur Frau Suppan geschickt, und solch ein Besuch dauert.«
Wieder schnippte Bermeter, gleich wurde Florians Stimme schärfer. »Nun geh schon! Der Gressenhof ist nichts für dich.«
»Da sind solche Weiber drin. Ich weiß es doch …«
»Nicht für mich, glaub mir …« Für eine glaubwürdige Beteuerung blieb keine Zeit, das Schnippen zwang den Liebsten zur Schroffheit: »Wir wollen allein sein.« Er zerrte an einem ihrer Zöpfe. »Also, verschwinde endlich!«
Ehe sich Katharina versah, klatschte ihr Bermeter wohlwollend auf den Hintern. »Bist ein liebes Ding. Aber du solltest tun, was er sagt.« Durch den Stoff betastete er die Pobacke. »Ja, wirklich ein festes liebes Ding.« Wieder ein Klaps. »Und nun ab mit dir. Morgen siehst du deinen Kerl unbeschädigt wieder.«
Katharina senkte den Kopf, sah nicht hin, wie die Männer im Gasthaus verschwanden, und ging mit hängenden Schultern die Gasse weiter in Richtung Judenplatz.
Magdalena spürte das Herzpochen im Hals, die Zunge klebte. Sie blieb einige Schritte hinter dem Mädchen. Eine Tür, von der sie bisher nichts ahnte, diese Tür war aufgegangen. Und dahinter …? Was sie gesehen und gehört hatte, so etwas erzählten sich die Marktfrauen von den missratenen Söhnen und Töchtern anderer Leute. »Aber nicht von meinem Sohn«, flüsterte sie. »Und schon gar nicht von seiner Tochter. Nein, ich sag einfach
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