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Riemenschneider

Riemenschneider

Titel: Riemenschneider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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nein, und dann ist es auch nicht wahr.« Aber die junge Frau ging direkt vor ihr. Dagegen half kein noch so inniges Wünschen.
Am Rande des Platzes rief Magadalena leise den Namen. Katharina schreckte zusammen, blickte über die Schulter, wollte fortlaufen, doch Magdalena bat schnell. »Nicht. Ich hab euch gesehen. Bitte, hilf mir, damit ich verstehe.«
Katharina floh nicht. Ihre Lippen zitterten, mit fliegenden Fingern begann sie, die Schleifen von den Zöpfen zu lösen. »Sag nichts der Stiefmutter! Nur nichts. Auch nicht dem Vater.« Ein buntes Band nach dem anderen verschwand in der Kitteltasche.
»Was soll ich denn nicht sagen?«
»Flori hat mir verboten, darüber zu sprechen.«
Magdalena berührte die Halskette. Wie nach einem Schlag drehte das Mädchen den Oberkörper zur Seite, nestelte am Verschluss, konnte den Haken nicht lösen, zerrte, zerriss die Kette, und im schillernden Schwall fielen die Glasperlen, sprangen auf dem Pflaster davon. Katharina wollte sich bücken, es war zu spät, mit Tränen in den Augenwinkeln sah sie ihre Kinderfrau an. »Nichts daheim sagen. Bitte, bitte!« Sie wandte sich ab und huschte zur Schustergasse hinüber.
»Verboten? Mein Junge hat dir verboten zu reden?« Magdalena wollte die Arme vor der Brust verschränken, gleich nahm der wehe Schmerz zu, und sie ließ es. »Nun weiß ich noch weniger als vorhin.«
Im Hause des Stadtschreibers hielt Frau Margaretha ihre Mieterin auf der Treppe an. »Du bist früh heute?«
»Mir ist nicht wohl. Verzeiht …«
Der besorgte Blick bat um eine Erklärung.
»Ich … beschreiben kann ich es nicht. Es ist einfach unwohl in mir.«
»Soll ich den Knecht zum Apotheker Wilser schicken. Ganz sicher weiß der ein Pulver …«
»Danke. Ihr seid sehr freundlich zu mir, aber ich denke, ein wenig ausruhen genügt.«
»Wenn nicht, so sag nur Bescheid.« Frau Margaretha schüttelte unmerklich den Kopf. »Auch wenn du dich nie bei mir beklagt hast. Ich weiß genau, wer im Wolfmannsziechlein die meiste Hausarbeit verrichtet. Und das ist nicht deine Herrin.«
Das warme Mitgefühl ließ die Tränen steigen. Gleich heul ich richtig, dachte Magdalena und lächelte dagegen an. »Mein Rupert besorgt das Schwere. Ohne ihn wäre es drüben schlecht bestellt.«
»Sei nicht so bescheiden. Aber du siehst wirklich krank aus. Nun leg dich erst mal!«
»Danke. Ihr seid gut zu uns …« Magdalena nahm, so rasch es ging, die nächsten Stufen, erst auf der engen Stiege zu den Dachkammern hinauf wischte sie mit dem Ärmel über die Augen.
In der Stube löste sie die Schlaufen ihres Kittelkleides und trat mit dem schmalen Spiegel näher ans Fenster. Die Halsseiten waren rot geschwollen, blaugrüne Flecke übersäten die Haut oberhalb des Busens, und beide Brüste hatten blutunterlaufene Quetschungen; die linke Warze war hart, und jede Berührung verursachte einen heftigen Stich nach innen. »Die Nägel sollte der Meister ihr rausreißen. Ach was, gleich ganz ab mit den Fingerkuppen.« Magdalena befeuchtete ein Tuch, legte sich aufs Lager und kühlte ihre Brüste. Florian. Was hatte er mit diesem Bermeter zu schaffen? Im Hinteren Gressenhof verkehrte kein Bürger aus der guten Gesellschaft. Oder doch? »Ich weiß es nicht genau.« Erzählt wurde nur, dass letztes Jahr beim Weinfest auch einige von den Damen aus dem Esel sich dort rumgetrieben haben. »Möchte nicht wissen, wie viele von den ehrbaren Herren da heimlich hingeschlichen sind.«
Florian und Katharina standen da an der Brücke, wie ein Paar? »Gespielt haben sie schon seit der Kindheit miteinander. Und die Kleine hat meinen Liebling angehimmelt.« Magdalena sah zu den Deckenbalken. Warum auch nicht? Er war wirklich ein schöner Bub. »Ist er heute noch. Die langen Wimpern, seine Locken. Und erst die weißen Zähne.« Die Mutter seufzte. So vom Aussehen gefällt er sicher allen Würzburger Mädchen. »Bisher dachte ich, er ist halt noch ein bisschen fauler als andere junge Männer, mit der Zeit aber wird sich das schon bessern. Bis heute hab ich daran geglaubt. Und er kennt diesen Teufel schon länger, so wie die miteinander geredet haben.«
Sie setzte sich auf. »An das Mädchen darf Florian nicht. Auf keinen Fall! Unsere Kathi muss sauber bleiben. Sonst weiß ich nicht, was Meister Til machen wird, wenn er es erfährt.« Magdalena erhob sich, ging zur Waschschüssel und befeuchtete das Tuch neu.
Schritte auf der Stiege, gleich wurde die Tür geöffnet. »Gott sei Dank. Du kommst jetzt schon«, grüßte sie

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