Riemenschneider
verengte die Brauen. »Speyer? Nicht Stuttgart?«
Ein Schatten verdüsterte das Gesicht. »Die Stuttgarter Dombauhütte war meine zweite Stellung. In der Stadt aber, wo Herzog Ulrich der Herr ist, wollt ich nicht länger bleiben …«
Til hob die Hand. »Dafür haben wir jetzt keine Zeit. Nach der Arbeit beim Essen kannst du erzählen. Sag noch deinen Namen?«
»Peter aus Emmendingen.«
»Gut, Peter. Verstehst du dich auch mit Marmor?
»Ich bin ein guter Steinmetz.«
»Die Antwort gefällt mir.« Til legte ihm die Hand auf die Schulter. »Wenn du dich einfügst, kannst du einige Monate bei uns bleiben. Wenigstens so lange, bis wir das Grabmal unseres gnädigen Herrn, Fürstbischof Lorenz von Bibra, aus dem Salzburger Marmor gehauen haben. Leg dein Bündel ab, und lass dich vom Altgesellen einweisen!«
In der Stube waren die Männer enger zusammengerückt, und Tobias hatte dem Neuen einen Platz neben sich angeboten. Gebratene Neunaugen auf einem Fladen aus Käse und Roggenmehl, gewürzt mit Dill und Kümmel. »Esst ihr immer so gut?«, fragte Peter zwischen zwei Bissen, und schon kaute er wieder.
Überrascht sah sich die Tischrunde an. Der Geselle gegenüber spießte den nächsten Fisch vom Holzbrett. »Wie meinst du das?«
Tobias verstand sofort. »Recht hat er. Jeden Tag bekommen wir reiche Mahlzeit. Nur merken wir es schon nicht mehr.« Betont hart schlug er den Gabelgriff in seiner Faust auf die Tischplatte; vom Nebentisch blickte der Meister leicht ungehalten herüber, den Altgesellen kümmerte es nicht. »Freunde, wie lange ist es her, dass wir der Hausfrau und unserem Meister für die gute Speise gedankt haben?« Als Antwort hämmerten nun alle ihren Messergriff aufs Holz. Unter dem Kreuz an der Stirnwand erhob sich Frau Margarethe. »Danke euch.« Nur wenig öffnete sie die Lippen. »Wer hart arbeitet, soll auch gut essen.« Knappe Worte ohne Regung, eine pflichtschuldige Antwort, mehr nicht.
Ohne aufzustehen, streckte Magdalena die Faust in die Höhe. »Ihr eingebildeten Kerle!« Die Streitlust war in der Stimme nicht zu überhören. »Und was ist mit uns Mägden? Schließlich habe ich die Fische auf dem Markt gekauft.« Von ihrem Ton angesteckt, wagten sich die Köchinnen auch zu Wort. »Und ich habe die Biester ausgenommen, geschuppt und gebraten.« »Und ich habe am Herd gestanden und die Fladen gebacken.«
Empörung versteifte den Rücken der Hausfrau. Bei den Männern herrschte erst verblüfftes Schweigen, dann aber trampelten sie, johlten und ließen die Mägde hochleben. Als der Lärm abebbte, setzte Magdalena gnädig hinzu: »Das gefällt uns, wenn es euch so bei uns schmeckt. Unsere Herrin hat schon recht, wer hart arbeitet, soll auch gut essen.«
Nach dem letzten Bissen tätschelte sich Peter den Bauch. »Da hab ich aber für mehr Arbeit schon viel schlechtere Kost bekommen.«
»Was war in Stuttgart?« Tobias stützte den Arm auf.
Die Frage allein genügte. Gleich drehten sich Rupert und die übrigen Gesellen auf ihren Schemeln herum. Neuigkeiten – jeder Wandergeselle brachte ein Stück von der Welt draußen mit in den Hof Wolfmannsziechlein. Und der Meister gewährte den Männern diese willkommene Abwechslung, sie lernten den Neuen durch seine Geschichten besser kennen, und das gemeinsame Arbeiten ging später leichter von der Hand. Auch heute rückte er selbst näher und warnte gut gestimmt: »Doch keine schlüpfrigen Zoten, mein Freund. Wir sind hier nicht in einer Dombauhütte, sondern in der guten Stube für Heilige und Engel.«
»Seid beruhigt, Meister. Denke ich an Stuttgart, vergeht mir jede Lust am Spaß.« Peter sah in die Runde. »Ja, zu essen habt ihr hier genug. Aber doch nur, weil euer Landesherr es gnädig mit euch meint.«
»Was?«, entfuhr es Rupert, gleich entschuldigte er sich mit einer Handgeste. »Ich wollt nur sagen, das liegt am Meister, dass wir hier gut leben, nicht an dem da oben. Und in der Stadt ist es besser als draußen. Da geht’s den Leuten schlecht.«
»Du sagst es.« Der Wandergeselle stieß den Finger auf den Tisch. »Aber so wie Herzog Ulrich kann euer Bischof nicht sein. Ich red jetzt nicht von gefälschten Gewichten und der Wuchersteuer auf Fleisch, Wein und Mehl. Nein, ich hab mit eigenen Augen gesehen, was er mit den Bauern hat machen lassen.« Das Gesicht veränderte sich, verlor an Farbe. »Wenn es so in der Hölle ist, dann ist Herzog Ulrich der Leibhaftige. Glaubt mir. Da im Remstal und da so in der Gegend haben sich die Bauern aus Not und Hunger
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