Riemenschneider
Seine Mundwinkel zuckten leicht. »Und weil sie mir keinen schriftlichen Vertrag gegeben haben, auch keinen Vorschuss, dachte ich mir, legst du noch ein Pergament dazu, dass Meister Til den Gekreuzigten geschnitten hat und Maler Johann Wagenknecht ihn farbig gefasst hat. Dazu das Jahr und den Namen von unserem Fürstbischof.« Nun musste Til doch über seine Vorsichtsmaßnahme schmunzeln. »Glaub jetzt nicht, dass ich fürchte, mein Geld nicht zu erhalten.«
Gleich schüttelte Tobias den Kopf und wehrte betont entschieden ab: »Nein, Herr. Niemals. Die frommen Herren von der Pfarrkirche St. Nikolaus da oben in Steinach sind ehrliche Leute. Auch wenn sie den Vertrag nicht ausgehändigt haben.«
Til verschloss die Öffnung mit Kork und glättete die Unebenheit. »Wenn vor dem Fassen hier genug Firnis aufgetragen wird, ist die Stelle nicht mehr zu erkennen.«
»Das wollte ich fragen, Meister …« Tobias half, den Christus umzudrehen. Ehe er weitersprach, berührte er behutsam die eingefallenen Wangen, den Mund. »So fein habt Ihr den Jesus ausgearbeitet, jede Einzelheit. Das ist kein Holz mehr, die Oberfläche ist Haut, und drunter sind Adern und Knochen. So was könnt nur Ihr erschaffen …«
»Genug jetzt.« Til drohte ihm mit dem Punktiereisen. »Der Altgeselle will seinen Meister doch nicht etwa loben?«
»Nein. Ihr wisst selbst nur zu gut, dass es in ganz Franken keinen gibt, der mit Eurer Kunst mithalten kann. Und gerade deswegen kann ich nicht verstehen, warum Ihr all die Feinheiten zuschmieren lassen wollt. Und das auch noch von diesem Johann Wagenknecht …«
»Ein guter Maler, der wirklich mit Farben umgehen kann. Außerdem sitzt Johann mit mir im Stadtrat. Ich habe ihn vor einiger Zeit für unsern Freundeskreis gewinnen können. Und nun hilf mir.«
Gemeinsam legten sie den Christus auf die gekreuzten Balken. Der Meister schob den Körper, bis Hände und die übereinanderliegenden Füße in richtiger Position waren, dann führte er den spitzen Stahlstift durch die vorgebohrten Löcher und punktierte mit einem kräftigen Hammerschlag die Stellen am Kreuzschaft und den Querbalken. »Jetzt nicht verrutschen!«, bat er leise und atmete kaum, als er nacheinander die langen, mit Nagelköpfen versehenen Schrauben in die Wunden führte und sie im Kreuzholz festdrehte. Als die Arbeit verrichtet war, wischte er den Schweiß von der Stirn. »So alt ich auch werden mag, daran gewöhnen kann ich mich nie.«
»Wäre diesmal auch nicht nötig gewesen.« Tobias verschränkte die Arme vor der Brust, ein gereizter Ton schwang in seiner Stimme. »Der Wagenknecht holt den Christus sowieso wieder vom Kreuz runter; damit er ihn besser bepinseln kann.«
»Kein schlechtes Wort mehr über den Maler.« Til hob die Brauen und lenkte ein. »Versteh doch, die Steinacher wollen den Erlöser mit Farbe. Sie haben mir die Wahl des Fassmalers überlassen, und so habe ich mich für Johann Wagenknecht, für den Besten hier in Würzburg, entschieden. Sieh mich nicht so an …« Der vorwurfsvolle Blick bedrängte ihn. »Also gut, er hat den Auftrag nicht ohne Gegenleistung erhalten. Seine Stimme war nötig für die Pflasterung der Straße zum Dom. So ist Politik nun mal, Mehrheiten kosten etwas. Wenn du eine Gefälligkeit erwartest, musst du selbst auch bereit sein, etwas zu geben.«
Tobias staunte. »Und für Pflastersteine lasst Ihr die Figur beschmieren?«
»Sei nicht unverschämt. Ich sagte dir, meine Auftraggeber verlangen die farbige Fassung des Kruzifixus.«
»Und warum dann der Aufwand beim Schnitzen?«
»Weil ich …« Til betrachtete den Gekreuzigten. »Weil ich ihn vorher in mir gesehen habe. Er hing nicht am Kreuz, fast schwebte der Körper davor. Deshalb habe ich die Arme so ausgebreitet, dass sich der Brustkorb dehnt. Und siehst du hier, auch die Knie sind gestreckt. Noch ist er mein Kruzifixus, wenn er bemalt ist, gehört er den Steinachern. Und bevor ich ihn Johann Wagenknecht überlasse, möchte ich den Erlöser einmal anschauen, so wie er in mir war.«
Am späten Vormittag saß Til mit dem Maler im Hof. Von Magdalena war ihnen Wein und Brot gebracht worden. »Eine Bitte habe ich.« Der Meister drehte den Becher in der Hand. »Erstick den Erlöser nicht mit zu viel Farbe. Auch lass nicht zu viel Blut aus der Stichwunde fließen …« Er sah, wie die Miene des jungen Ratskollegen sich verdüsterte. »Entschuldige! Auf keinen Fall will ich dir Vorschriften machen. Es ist nur eine Bitte, mehr nicht.«
»Ich bin dir dankbar für den
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