Riemenschneider
zusammengeschlossen. Armer Konrad haben sie ihren Bund genannt, weil sie nun mal arm sind und sich keinen Rat mehr wussten.« Ein bitteres Lächeln. »Ja, der Geißenpeter, ihr Anführer, hat den Namen erfunden. Weil er lieber über die schlechte Lage gespottet als geklagt hat. Er konnte dann rechtzeitig entkommen. Aber die anderen, von denen hatte keiner so viel Glück. Als der Prozess auf dem Gerichtsplatz von Schorndorf anfing, war ich gerade da, weil ich … weil ich in der Woche um die Hilde freien wollte …« Ein kurzes Zögern, die Stimme schwankte. »Aber ihr Vater hat es nicht erlaubt, hat den Sohn vom Bäckermeister im Auge gehabt. Geb ja zu, die Hilde wollte mich wohl auch nicht. So ist das nun mal. Was hat ein armer Steinhauergeselle gegen einen Bäckermeistersohn schon zu bieten? Und sie war wirklich …«
»Später, davon erzähl später«, unterbrach Til. »Komm zurück zum Armen Konrad. In unserer Gegend gibt es solch einen Bund nicht. Aus welchem Grund sind die Männer in Haft genommen worden?«
»Hinterlist. Alle sind betrogen worden.« Peter schaute über die Köpfe zum Fenster hin, als lebten dort im hellen Bunt des Glases die Bilder wieder auf. »Nicht zehn, nicht hundert Bauern sind in die Falle gegangen. Mehr als sechzehnhundert waren es. Wie Wölfe auf eine Schafherde, so haben sich die Schwerbewaffneten auf sie gestürzt …« Herzog Ulrich hatte nach vielen Beschwerden und bei immer bedrohlicher anwachsenden Versammlungen den Empörten nachgegeben, ihre Forderungen endlich anerkannt. Erleichtert verließen die Bauernhorden das befestigte Lager auf dem Kappelberg, und bis auf wenige kamen alle dem Befehl des Herzogs nach: Freiwillig legten sie Sense, Hacke oder Knüppel beiseite. Doch den Zugeständnissen während der öffentlichen Bekanntmachung durch die Räte auf den Wiesen vor Schorndorf folgten Hunderte eisengerüstete Ritter, und die Hetzjagd auf den Armen Konrad begann. »Herzog Ulrich hat selbst den Wink gegeben.«
Peter ahmte die Geste nach, wie ein Schlachtbeil ließ er den Arm niederfahren, und die Zuhörer zuckten zusammen. »Das war ein Schreien, ein Weinen da draußen. Die Männer rannten durcheinander, und die Reiter über ihnen schlugen mit Schild und Kettenkugel. Wenig später kamen die Knappen mit Stricken und Eisenfesseln. Wie Schlachtvieh haben sie die Gefangenen an Händen und Füßen aneinandergebunden und sie nach Schorndorf reingeprügelt.«
Die Geschundenen waren in die Mauertürme, in die Kellerverliese gestopft worden. Kein Sitzen, kein Stehen, aufeinander mussten die Männer liegen. Immer noch reichte der Platz nicht aus, und das Rathaus wurde als Gefängnis hergenommen. Bald quoll jeder Raum bis hinauf zum Speicher über mit Menschen. Und draußen brannte die Augustsonne.
»Durst.« Peter schüttelte langsam den Kopf. »Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie Gewimmer klingt. In jeder Gasse, egal, wo ich herging, durch die Mauern hörte ich das Klagen und Flehen. Auch in der Nacht wurde es nicht still, im Gegenteil, lauter ist es geworden.« Erst gegen Mittag des nächsten Tages waren die Gefangenen wieder aus ihren Pferchen herausgezerrt worden. Stinkend nach Kot und Urin, wurden sie von den Schergen des Herzogs zum Ufer der Rems geführt. Von Durst und Hunger gequält, hatten sie das klare Wasser vor Augen, doch keiner durfte niederknien, um zu trinken. »Ich sehe die Männer immer noch. Vom Himmel brennt die Sonne, und Fliegenschwärme schwirren um sie rum. Dunkle Wolken waren das.«
»Weiter!« Rupert rieb heftig die rote Narbe an seiner Halsseite. »Hatten die Kerle dann endlich Erbarmen?«
Der Wandergeselle sah den Knecht erstaunt an: »Erbarmen? Der Herzog oder seine Leute? Das Wort haben sie da in Schorndorf nicht gekannt. Aber die Frauen. Erst hat sich eine getraut. Mit einem Wasserkrug ist sie an den Posten vorbei und hat einige trinken lassen. Gleich kamen mehr. Die Bewaffneten haben sich nicht getraut, den Weibern was anzutun. Wenigstens ein Tropfen war es, auch wenn ihn nicht jeder bekommen hat.« Aufatmen ging durch die Stube, die Gesichter hellten sich etwas auf. Für Erleichterung aber gab es noch keinen Grund. Herzog Ulrich war am späten Nachmittag am Ufer der Rems erschienen. Nun mussten alle Männer auf die Knie. Dort lagen sie mehr als eine halbe Stunde im Staub. Jetzt erst verkündete der Kanzler im Namen des Fürsten: »Aus Gnade und großer Güte …«
Peter benetzte mit der Zunge seine Lippen. »Die Männer mussten schwören, nie mehr einen
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