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Riemenschneider

Riemenschneider

Titel: Riemenschneider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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erleichtert, bedeckte mit dem Lappen notdürftig ihre Blöße und wandte sich um. »Ach, du bist es.«
Rupert blickte seine Frau verwirrt an. »Stör ich?«
»Nein, nein. Entschuldige.«
Er schlenkerte mit den Armen. »Wusste nicht, dass du …«
»Ich hatte gehofft, der Junge wäre schon heimgekommen.«
»Hab auch lange auf ihn gewartet. Er sollte mir am Weinberg helfen. Die Traubenfässer mussten mit dem Fuhrwerk runter in die Stadt geschafft werden. Aber seit Mittag hab ich ihn nicht mehr gesehen.« Rupert deutete zur Nebenkammer. »Ich kann drüben warten, wenn du dich waschen willst.«
Sie blickte an sich hinunter, hielt das Tuch ein Stück von ihren Brüsten weg, gleich schimpfte sie vor Kummer und Zorn: »Im Gegenteil. Bleib und guck dir das an!« Magdalena zeigte sich ihm.
Das Blut wich Rupert aus dem Gesicht. »Wer?« Langsam ging er zu ihr hinüber. Tonlos flüsterte er: »Blutzapfen? Haben sie dich gequält?« Er ballte beide Fäuste, schlug sie gegeneinander. »Waren die Kerle da?«
»Nein, um Gottes willen, nein.« Magdalena spürte, wie ihn der Gedanke aufwühlte. »Sei ruhig, Lieber. So schlimm war es nicht. Keine Blutzapfen. Bitte. So weh tut es auch nicht. Sieht nur schlimmer aus.«
»Wirklich? Sagst du es auch nicht nur so?«
Sie nahm seine Faust, öffnete sie und führte die Finger an ihre rechte Brust. »Überzeug dich selbst. Nein, hab keine Angst. Es ist nur die Haut, drinnen ist nichts verletzt.«
Behutsam strich Rupert über die blauen Stellen. »Aber wieso?«
Magdalena war erleichtert, dass ihn seine Schreckensbilder wieder verließen, wollte auch keine neue Erinnerung wecken und berichtete beinah nebensächlich, was ihr im Nähzimmer widerfahren war. Den Zorn auf die Herrin aber vermochte sie nicht zu unterdrücken. »Ich werde es dem Meister sagen, sobald ich ihn sehe. Er wird der Hexe schon Bescheid geben.«
»Warte. Ich hol meine Schmiere.« Rupert nahm einen kleinen Tontopf aus dem Regal. Diese Salbe aus Arnika und Schafsfett ließ er sich immer wieder neu vom Apotheker zubereiten, benutzte sie gegen Prellungen und leichte Verletzungen, die er sich oft bei der täglichen Arbeit zuzog. »Willst du?«
»Du kannst mir helfen.« Er salbte die Stellen am Hals und sie die Blutergüsse an den Brüsten. Durch den Mundwinkel sog Magdalena den Atem ein. »Oje, das brennt.«
»Verzeih.« Rupert wollte mit der Hand lindern, berührte die Brust aber nicht, als fürchtete er, mit ungelenken Fingern den Schmerz noch zu vergrößern. »Geht gleich vorbei, und dann hilft die Schmiere, glaub mir.« Voller Sorge betrachtete er die Quetschungen, kaum spürte er Magdalenas Blick, sah er zu Boden. »Der Herr mag dich gern.«
Überrascht wandte sie sich zur Waschschüssel. »Das weißt du doch.« In all den Jahren hatte zwischen ihnen nie darüber ein Zweifel bestanden, noch war es ein Grund zum Streit gewesen. »Und ich ihn.« Magdalena löste die Spangen aus dem hochgebundenen Zopf. »Wie kommst du jetzt darauf?«
»Wenn du dich über die Herrin beklagst … Wird er deine Partei ergreifen?«
Heftiger zog sie den Kamm durchs lange Haar. »Und ob. Er wird diese Hexe zur Rede stellen, verbieten wird er ihr, mich jemals …« Der Schwung erlahmte, leise setzte sie hinzu: »Schön wäre es wenigstens, wenn er mich verteidigt.« Um abzulenken, beugte sich Magdalena näher zum Spiegel und breitete das Haar über die Hand. »Graue Strähnen. Immer mehr werden es. Älter und älter werde ich.«
»Ich glaub nicht«, spann Rupert seinen Gedanken weiter und stellte den Salbentopf zurück ins Regal. »Er muss zur Herrin halten. Wir sind nur Magd und Knecht …«
»Hör auf!« Magdalena quetschte das Haar in der Faust. »Nicht weiter, Lieber. Ich weiß es doch selbst. Wenn wir unsere Stellung nicht verlieren wollen, müssen wir uns fügen. O, wie ich das hasse.«
Sie hatten den Rest vom Hirsebrei gegessen, und weil Magdalena schwieg, hatte auch er geschwiegen. Hin und wieder blickten sie zur Tür, horchten ins abendstille Haus des Stadtschreibers, doch kein Knarren auf der Stiege. Später drehte Rupert den Docht der Öllampe höher, dann nickte er am Tisch über den Armen ein.
Sanft berührte sie seine Schulter. »Leg dich doch! Du musst morgen früh raus. Ich geh rüber in seine Kammer. Da warte ich, bis der Junge kommt.«
Endlich, spät in der Nacht, klappte unten im Haus die Tür. Lange dauerte es, bis der Sohn das Dachgeschoss erstiegen hatte. Florian grinste dümmlich, als er die Mutter auf dem Schemel hocken sah.

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