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Riemenschneider

Riemenschneider

Titel: Riemenschneider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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»Geschenkt. Wir haben sie geschenkt bekommen. So kann man es ruhig nennen.« Weil sie sich abrupt zum Herdfeuer drehte, rief er: »Glaub’s nur. Das Schicksal hat es gut mit uns gemeint.«
Der Schneider rieb sich das spitze Kinn. »Forchheim? Gab es da im Mai nicht ziemliche Aufregung? Hab ich wenigstens gehört.«
»Aufregung? Ich denke, das Wort passt nicht so ganz. Was meinst du, Adjutant? Um ein Haar hätt’s da am Fronleichnamstag Zunder und Feuerwerk gegeben.«
Florian nickte. »Wir wollten uns nach der Prozession ein Wirtshaus suchen. Da waren mit einem Mal gut fünfhundert Bauern in der Stadt. Alle bewaffnet. Sogar einige Büchsen hatten die.« Weil Bermeter ihn nicht unterbrach, berichtete er weiter. »Große Reden wurden auf dem Markt gehalten: Frei sollten wieder Wasser, Wald und das Wild sein … Sie haben am nächsten Tag gleich damit angefangen und haben die Teiche vom Kloster leergefischt, auch die vom Domprobst. Und wir mittendrin. Mit gebraten haben wir.« Er rieb sich den Bauch. »So viel guten Fisch hab ich mein Lebtag noch nicht gegessen …«
Vom Eingang her fuhr ein Windstoß durch die Küche, Balthasar trat ein und drückte die Tür gleich hinter sich zu. »Das Wetter schlägt um.« Der Bauer sah prüfend in die Gesichter der Tischrunde. »Wünsche einen guten Abend. Will auch nicht lange stören.«
»Nicht schlimm, Onkel.« Katharina eilte zu ihm, griff nach seiner Hand und hielt sie fest. »Florian erzählt von unterwegs. Und bestimmt möchtest du auch einen Becher Wein.«
»Die Frau sagt, ihr braucht Heu und Stroh. Und da wollte ich …«
»Bleib, Onkel, bitte!« Sie zog ihn zum Tisch.
Bermeter rückte einen Schemel heran. »Dem guten Nachbarn spendiere ich gern einen Schluck. Denke, was wir im Sommer da draußen im Land erlebt haben, das geht dich genauso an wie die Bauern in Forchheim. Übers Geschäft reden wir später.« Er wartete, bis Balthasar den Becher an die Lippen setzte und trank. »Keinen Zehnten mehr abgeben. Keinen Frondienst mehr.«
Florians Onkel verschluckte sich, hustete, als er wieder zu Atem kam, keuchte er: »Was redest du da?«
»Nein, nein. Das sag nicht ich.« Bermeter rückte näher, hob den Mund zum Ohr und blies in verschwörerischem Singsang hinein: »Die da in Forchheim haben das gerufen, die Bauern, mein ich, und sie haben dem Bürgermeister die Schlüssel zu den Toren abgenommen. Und sie haben ihre Forderungen an den Bischof auf Papier geschrieben. Stell dir vor, sie wollten nur noch die dreißigste Garbe abgeben und nicht mehr die zehnte …«
»So was …« Balthasar machte große Augen, er kippte den Wein in sich hinein und verlangte gleich nach neuem. »Damit könnte ich gut leben.«
Mit schnellem Griff riss der Spielmann den senkrecht stehenden Dolch aus der Tischplatte. »Wir wollen unseren Wald zurück!«, schrie er und drohte mit der Klingenspitze den unsichtbaren Adligen über dem Wandregal. »Unsere Kinder sollen im Winter nicht mehr frieren, nur weil Ihr uns verbietet, Holz zu schlagen!«
»Bravo!« Die angetrunkenen Freunde und Florian klatschten und trampelten mit den Füßen. Als sie schwiegen, sagte der Bauer: »Wenn’s so wär, dann wären wir wieder Menschen.« Verflogen war das Misstrauen, unversehens gehörte er zur Tischrunde. »Und die Herren? Waren sie einverstanden?«
Die zum Kampf gereckte Faust öffnete sich, und der Dolch polterte zwischen die Wurstreste. »Dann haben die Bauern alles falsch gemacht. Sie haben gewartet, dass der Bischof ihre Artikel bewilligt; haben gewartet und gewartet. Wäre ich der Anführer gewesen, ich hätte gleich losschlagen lassen. Aber mich hat ja keiner gefragt …« Der Hauptmann ging zu seinem Adjutanten und griff in die üppigen schwarzen Locken. »Dafür hatten wir in Forchheim ein feines Leben. Glück im Spiel und immer genug zu saufen, bis … Na, sag du’s.«
Wie ertappt versteifte Florian den Rücken. »Die Pferde standen …«
»Das war später.« Ein ermahnender Klaps auf den Hinterkopf. »Denn vorher zogen die Bewaffneten vom Markgrafen heran. Auf Pferden und zu Fuß kamen sie. Geschütze hatten sie auch dabei. Und …« Bermeter klatschte in die Hände, als wollte er Tauben verjagen. »Und husch, husch kehrten die Dummköpfe wieder auf ihren Acker zurück. Dabei wären sie stärker gewesen. Von unserm Versteck aus konnten wir’s genau beobachten: Fünf Bauern haben zwei Reitern den Weg abgeschnitten. Mit Stangen haben sie die aus dem Sattel geholt. Nicht einmal schreien konnten die, so

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