Riemenschneider
schnell haben die Bauern die Reiter totgeschlagen.« Er knuffte Florian in die Seite. »Und schon wieder hatten wir Glück. Nun erzähl!«
»Die Bauern sind gleich weggelaufen.« Florian suchte Unterstützung in den Blicken der Freunde. »Da standen die beiden Gäule, gut im Futter, gutes Sattelzeug. Und da lagen die Kerle im Gras. Die Hüte daneben. Und kein Loch in den Kleidern. Weil die Bauern ihnen die Schädel eingeschlagen haben.«
Schon wissend, was nun folgte, begann Stefan Dietmar zu grinsen. Sein Bruder stieß mit dem Ellbogen den Schneider an: »Da gab’s also nichts zu flicken an den schönen Sachen.«
Florian fühlte sich ermuntert, nun versuchte er seinem Herrn nachzueifern und wollte die Spannung steigern. »Wir zwei aber hockten im Gebüsch mit zerrissenen Hosen und Flecken auf dem Wams …«
»Und?«, forderte Balthasar. »Jetzt sag schon, Junge.«
»Wir haben getauscht, Onkel …«
Begeisterung unterbrach ihn, mit den Fäusten trommelten die Freunde auf den Tisch. Florian ließ sich hinauftragen, bemühte sich sogar, den leichten Tonfall Bermeters nachzuahmen: »Und weil die armen Pferde herrenlos da rumstanden, haben wir sie mitgenommen. Als Geschenk.«
»Schäm dich!« Katharina sah ihn entsetzt an. »Du hast gestohlen. Einfach gestohlen.« Sie presste die Hand vor den Mund.
Ehe Florian eine Antwort einfiel, verteidigte ihn Onkel Balthasar. »So was ist kein Diebstahl, Mädchen. Wer weiß, wie viele von uns diese Kerle vorher schon ausgezogen haben, wem sie alles genommen haben, das Vieh, das Haus, einfach alles.« Er rieb sich den Nacken. »Und was wir alles ertragen müssen. Da sind zwei Gäule und gute Stiefel immer noch zu wenig. Nur schade, dass es in Forchheim nicht weiterging.«
»Du sagst es, Bauer.« Bermeter schenkte ihm ein und schob Schnappenspengler den Krug zu. »Aber dafür brodelt es im Land. Sogar in Nürnberg. An den Ecken drängten sich die Leute zusammen. Und Prediger standen auf Fässern. Die haben von der Freiheit der Christenmenschen erzählt wie dieser Doktor Luther.«
»Der ist doch tot.« Philipp Dietmar rülpste, ehe er hinzusetzte: »Der nutzt jetzt nichts mehr.«
»Im Gegenteil! Auferstanden ist er.« Bermeter zog ein Blatt aus dem Hemd. »Hier, dieses Flugblatt hab ich eingesteckt. Das hier vorne drauf ist der Bauer von Wöhrd. Der hat gesagt, dass dieser Luther weg war und jetzt aber wieder auferstanden ist. Weil er das Evangelium verbreiten will. Den Bauern von Wöhrd haben wir nicht mehr in Nürnberg gehört, aber auf dem Rückweg. In Kitzingen, da hat er gepredigt.« Der Spielmann griff nach den Brotresten und stopfte sich damit die Wangentaschen aus. »Gut so?«, fragte er zu Florian hinüber, der nickte und brachte auf das Fingerschnippen hin eine Decke. »Leg sie mir um die Schulter!«
Gespannt sah die Tischrunde der Verwandlung zu, selbst Katharina kam neugierig näher.
»Mir fehlt noch eine Kappe.« Kurzerhand zog der Spielmann sie Balthasar vom Kopf. »Du bekommst sie gleich zurück.«
Kein Protest, nicht einmal ein unwilliges Stirnrunzeln, nur zu gerne half der Bauer mit seiner Kopfbedeckung aus.
»Was fehlt noch?«
»Warte!« Florian entschwand durch die Hintertür und kehrte kurz darauf mit dem Dreschflegel zurück. »Hier.« Eindringlich warnte er die Zuschauer. »Hört der Predigt genau zu, das rat ich euch. Normalerweise hatte er ihn wie einen Bischofsstab neben sich gestellt. Aber ich hab’s miterlebt, wie er vor Wut den Flegel über den Köpfen der Zuhörer kreisen ließ.«
Hans Bermeter stieg über den Schemel auf den Tisch, schob mit den Füßen die Essensreste beiseite und stellte sich in Positur. Dreimal stieß er den Stiel des Dreschflegels auf. »Gnade sei mit euch und der ewige Friede Gottes von dem Vater und unserm Herrn Jesus Christus, der sich für unsere Sünde hingegeben hat, dass er uns errette von dieser gegenwärtig argen Welt …« Die feist gestopften Wangen halfen der Stimme zu einer bedrängenden Helligkeit. Dazu spiegelte sich das Herdfeuer in den Augäpfeln. »Ihr lieben Brüder in Christo. Wacht auf! Unterwerft euch nicht länger Gewalt und Ungerechtigkeit! Wie konnte die Christenheit solch großen Jammer zulassen? Wie konnte die Christenheit diese gräuliche Tyrannei einreißen lassen?« Drohend stampfte der Prediger wieder den Dreschflegel auf die Tischplatte. »Es würde mich nicht wundern, dass uns der Erdboden allesamt verschlingt, wenn wir noch länger zusehen und dulden, dass mehr und mehr Frauen und Kinder zu Witwen
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