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Riemenschneider

Riemenschneider

Titel: Riemenschneider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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Katharina wach, ihr Schoß war wund, brannte. Schlimmer noch aber quälte die Vorstellung, wieder so lange auf ihn warten zu müssen. Ein Gedanke, rasch nistete er sich ein, überzeugte schließlich. Nur so kann ich unser Glück retten, dachte sie.
Katharina schmiegte sich an Florian, ihre Hand glitt über seinen Bauch tiefer hinunter, behutsam streichelte sie Hoden und Glied, seine Lust erwachte, und sie ließ den halb schlafenden Florian zu sich … ohne den Schutz der Schweineblase.

28

D er Himmel war mit Unruhe erfüllt. Eilige Wolken zogen, ließen Lücken … Graue Nachtboten, dachte Til, sie tragen noch letzte Botschaften aus dem alten Jahr ins neue. Er stand im Hof des Wolfmannsziechleins, sah dem Treiben zu. Gab es ein Zeichen? Eine besondere Formation? So gern hätte er ein ungewöhnliches Wolkengebilde gefunden, um daraus Figuren und Dinge zu erdenken, die ihm helfen sollten, das kommende Jahr zu deuten. Ein kleines Wunschspiel. Er hatte es als Junge in Osterode jeden Neujahrsmorgen geübt, all die Zeit nicht vergessen, und jetzt, als alter Mann, pflegte er es immer noch, wenn auch mit leisem Schmunzeln.
Heute aber trieben dort nur Tuchfetzen, aufgerissene Mäuler, vielfingrige Hände; kein Gesicht, nicht einmal ein Schiff mit Segeln. Der Nacken schmerzte, Meister Til senkte den Kopf. »Darauf weiß ich mir keinen Reim.« Während er zur Werkstatt hinüberging, rieb er die kalten Hände, dehnte den Rücken. »Gott wird mich schon leiten.«
Die Nacht war mühevoll gewesen. Immer wieder hatte ihn seine Frau gerüttelt: »Schnarch nicht so laut.« Und verlangt, dass er sich von einer Seite auf die andere Seite drehen sollte. Schließlich war Margarethe unter heftigem Protest ins Nähzimmer gezogen, doch er hatte bis zum Morgengrauen keinen Schlaf mehr gefunden.
Im Steinsaal beugte er sich über die Feuerstelle, befreite die Glut des vergangenen Abends von der Asche und legte Scheite nach. Zwei Fackeln steckte er rechts und links des großen Reliefs auf. Dunkler graugrüner Sandstein … Solch große Ruhe, solche Verlorenheit ging von ihm aus.
Langsam trat Til zurück, Schritt nach Schritt. Genug. In dieser Entfernung erwachte das Geschehen. Der Meister zog einen Hocker heran und ließ sich darauf nieder. Gestern vor Arbeitsschluss hatte er die Gesellen gebeten, beide Steintafeln aufeinanderzusetzen, mit Holzbalken zu rahmen und zusätzlich durch Stützen zu sichern. Näher angeschaut hatte er die Arbeit nicht. »Damit will ich das neue Jahr beginnen. Ich denke, das ist ein guter Anfang.
Mit waagerechtem Unterarm suchte er die Fugenlinie zwischen der großen unteren Tafel und der oberen, schirmte so den Blick auf das Hauptgeschehen ab, um zunächst das obere Drittel zu prüfen. Die Ausgestaltung hatte er wieder seinem tüchtigen Steinmetzgesellen aus Stuttgart übertragen. Beide Kreuze der Schächer standen schräg zum Hauptkreuz und gaben dem Bild Raum und Tiefe. Zwei Engel verdeckten die nach hinten gerichteten Querbalken.
Til nickte, und vergnügtes Schmunzeln stahl sich in die Mundwinkel. »Du wolltest deinem Meister wohl einen Gefallen tun.« Keine drallen Putten wie beim Grabdenkmal des Bischofs Bibra; dieses Mal hatte Peter die Körper schlank und biegsam gestaltet, keine nackten Fettwülste, sondern Federflaum von den Fußspitzen bis hin zu den schlagenden Flügeln. »Wenn dir die Felsen im Hintergrund ebenso detailgenau gelingen«, murmelte er vor sich hin, »dann bin ich sehr zufrieden mit dir.« Kurz nahm er rechts und links unterhalb der Kreuzarme Maß über den gestreckten Daumen. »Ich denke, du wirst die Umrisse erst mit dem Spitzeisen raushauen müssen. Gib nur acht, dass unseren Engeln dabei nichts zustößt.«
Das Licht der Fackeln lebte in der Figurengruppe. Erhellte die noch Gesichtslosen, verstärkte durch Schatten den Ausdruck ihrer Körperhaltung. Til legte die Hände vor seinen Augen wie zum Gebet zueinander, öffnete dann die Handflächen, bis nur Fingerkuppen und Daumenspitzen sich noch berührten. Langsam streckte er die Arme, führte das Dreieck auf die Arbeit zu, bis nur die vier Hauptfiguren im Ausschnitt zu sehen waren. »Gottlob. Das Dreieck fügt sich genau«, flüsterte er.
Auf ihrem mühevollen Weg zur Grablegung musste die Trauergruppe innehalten. In der Mitte lag der Gekreuzigte auf dem ausgebreiteten Leinentuch, den Oberkörper hochgestützt von Joseph aus Arimathia. Das Gewand des alten Kaufherren berührte hinter ihm den Boden, die Linie führte über den Kopf schräg

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