Riemenschneider
in die Burg eingezogen und sind auch hinunter ins Felsengewölbe.« Landgraf Philipp von Hessen erkundigte sich mitfühlend nach der Verwundung, Kurfürst Ludwig von der Pfalz bat den Ritter, ruhig liegen zu bleiben, Erzbischof Richard von Greiffenklau zu Vollrads aber baute sich, immer noch zornentbrannt, vor dem Krankenlager auf: »Franz, was hat dich getrieben, mich und mein Land zu überfallen und zu zerstören?«
Der Sterbende sammelte die letzten Kräfte. »Da gäbe es viel drüber zu reden.« Noch einmal erwachte Trotz in der Stimme: »Nichts ist … ohne Ursache.« Damit drehte Franz von Sickingen das Gesicht zur Wand.
»Und? Was war für mich?« Götz steht immer noch erwartungsvoll da, und dem Boten wird es eng, er zerrt am Kragen seines Lederwamses. »Die Fürsten haben einen Priester in den Keller geschickt, der Franz die Beichte abnehmen und ihm letzte Sakramente spenden sollte.« Schneller spricht er: »Ich hab Franz gefragt, ob der Pfaffe zu ihm kommen darf. Da ruft Franz: ›Sag ihm …‹ Aber zu spät, der Kuttenkittel war schon am Bett, und da hat ihm Franz gesagt: ›Ich brauche dich nicht.‹ Und dann ist seine Stimme immer schwächer geworden: ›Ich habe bereits … in meinem Herzen gebeichtet und mich … mit meinem Gott versöhnt.« Der treue Diener beugt sich vor und stützt die Stirn auf die Faust. »Dann ist er mit dem Gevatter davongegangen.«
Noch will sich Götz nicht der Trauer hingeben. »Du hast vergessen …«
»Nein, nein.« Tapfer hebt der Junker den Kopf. »Franz sagte: Sag ihm … Ich glaube, nein, bin ganz sicher, damit hat er dich gemeint. Ja, die letzten Worte waren für dich bestimmt. Sein Herzenswunsch war, dass alle sich der neuen Lehre anschließen.«
»Was dieser Luther verkündet?« Götz geht vor dem Beet auf und ab. »Also ein guter Rat von Ritter zu Ritter: Franz lässt mir sagen, dass diese neue Lehre sich mehr für uns lohnt als die alte. Ich weiß zwar noch nicht, warum, aber den Grund find ich schon heraus.« Jäh übermannt, bückt er sich und rafft eine Handvoll Narzissen. »Mein Freund, danke.« Eine nach der anderen lässt er die Blumen auf den Weg fallen. »Lebwohl, Franz. Lebwohl.«
Nach gebührendem Schweigen lädt der Burgherr den Boten ein, am Abend mit ihm zu speisen und über Nacht zu bleiben. Die Köchinnen tischen auf, doch erst der Wein nimmt die gedrückte Stimmung, und spät am Abend sucht Arnim von Schwertlein schwer trunken seine Kammer auf.
Götz lehnt noch im Sessel vor der Kaminglut. Nach langem Schweigen blickt er über den Becherrand seinen Knappen an. »Als ich ein grüner Bengel war, da hat mir mein Onkel schon beigebracht: Schlag dich, mit wem du willst, aber sorg dafür, dass du die Starken auf deiner Seite hast.« Er schüttelt das graue Haupt. »Und das hat Franz falsch gemacht. Das war sein Fehler. Schade um ihn. Wirklich schade.«
27
S trahl um Strahl, die Milch schäumte in den Eimer. Els hockte auf dem Melkschemel, gleichmäßig schlossen sich, zogen und öffneten sich ihre Hände. Noch erfüllte der warmweiche Nachtgeruch den Stall. Katharina war früh vom Bach hinaufgestiegen, jetzt stand sie hinter der Kuh und hielt den Schwanz fest. »Er ist wieder da.«
Kurz sah die Bäuerin hoch. »Klingt aber nicht besonders fröhlich. Den ganzen langen Sommer über hast du gewartet und nun … Wann ist er denn gekommen?«
»Gestern Abend. Es war schon fast dunkel. Der Hans war auch dabei.«
»Deshalb machst du so ein Gesicht. Dein Faulpelz ist zurück und hat den Oberfaulpelz gleich mitgebracht.«
»Sag das nicht.« Katharina runzelte die Stirn. »Gearbeitet haben sie. Ganz bestimmt. Weil … Florian hat jetzt ein Pferd. Einen schönen Braunen.«
Bei der Ankunft war er nicht ins Haus gekommen, vom Weg aus hatte er nach ihr gerufen. Seine Stimme. Um ein Haar wäre Katharina die Schüssel aus der Hand geglitten. Sie rannte nach draußen. »Flori!«
Er saß im Sattel, trug einen dunklen Schultermantel, Stulpenstiefel und schwenkte übermütig einen Federhut. »Schöne Frau! Da staunst du.« Seine Zähne blitzten. »Hoch zu Ross wie ein Hauptmann komme ich nach Haus.«
»Langsam, langsam. Du darfst mein Adjutant sein.« Hans Bermeter lüftete ebenfalls die aufgebauschte Kopfbedeckung. »Denn … denn das Haupt bin ich. Weil ich schlauer bin.« Sie lachten beide, wurden lauter, grölten und hieben sich auf die Schenkel, bis es Katharina angst wurde. »Seid ihr betrunken?«
»Das auch.« Florian war schwerfällig aus dem Sattel gerutscht.
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