Riemenschneider
Nachmittag kam Florian nackt und schlaftrunken aus der Kammer. Er schlurfte zu ihr, kniff die Augen zusammen und tastete wie ein Blinder nach ihren Brüsten und dem Hintern. »Was hab ich denn da gefunden?« Ausgiebig gähnte er ihr den säuerlich schalen Atem ins Gesicht. »Komm, jetzt will ich dich. Gestern war ich zu müde.«
»Nicht, Flori.« Sie drückte ihn von sich. »Jeden Moment kann der Hans reinkommen. Ich hab ihn vorhin schon vor der Scheune gesehen.«
»Ist mir egal. Schämst du dich etwa vor meinem besten Freund?«
»Das gehört sich am helllichten Tag nicht. Nicht wenn Besuch da ist.«
»Besuch?« Er kratzte sich mit beiden Händen im Haar. »Na, dann freu dich. Heute kommt noch viel Besuch.«
»Warum hast du mir das nicht gesagt? Wer denn?«
»Na, die alten Freunde.« Als sie gestern an Würzburg vorbeiritten, hatten sie den Schneider getroffen. Ihn und noch einige Kumpane hatte Bermeter nach Mühlhausen eingeladen. »Nun heul doch nicht.« Ihre Tränen weckten Florian, er streichelte ihren Arm. »Sei nicht traurig. Die kommen doch nur, weil wir so lange weg waren. Eine kleine Feier. Und Wein haben wir genug mitgebracht.«
»Das ist unser Haus, Florian.« Sie nahm seine Hand in beide Hände und schüttelte sie. »Versteh doch: unser Haus. Und wir laden ein …«
»Ist schon geschehen!« Hans Bermeter war lautlos durch die Hintertür in die Küche geschlüpft. Er kratzfußte vor Katharina. »Zu Diensten, Herrin. Euer ergebener Knecht hat die Gäste bereits eingeladen, so wie Ihr es befohlen habt.« Mit schnellen Schritten war er am Herd, nahm den Schürhaken und schlug einen harten Takt gegen den Suppentiegel. »Und nun wollen wir nicht mehr jammern, weil wir sonst die gute Laune vertreiben.« Wieder zurück bei dem Paar, drängte er sein Gesicht zwischen die beiden. »Also lachen wir heute und haben unsern Spaß. Denn euer guter Freund Hans bezahlt die Feier.«
Sturm war aufgekommen. Er heulte aus dem Tal, wirbelte Staub vor sich her und risswelke Blätter von den Bäumen. Unten in der Biegung erschienen drei Männer, die Mäntel blähten sich an ihren Seiten, als flögen sie mit dem Wind, schnell erreichten sie den kleinen Hof am Bach, und einer schlug mit der Faust gegen die Tür. »Bermeter!«
»Schnappenspengler!« Mit ausgebreiteten Armen begrüßte der Spielmann seine Gäste. »Und unsere Farbkleckser! Wie schön!« Er drückte Philipp Dietmar, den schmächtigen der beiden Brüder, an sich, dem größeren Stefan schlug er auf die Schulter. »Kommt rein!«
In der Küche übersah er Florian und Katharina, er spielte den hungrigen Hund, sabberte mit der Zunge und knurrte: »Her mit dem guten Fressen!« Schneider Schnappenspengler schnüffelte gleich mit, jaulte laut auf. Die beiden Maler grinsten über die Vorführung. »Hans, du hast uns gefehlt. Endlich gibt’s wieder was zu lachen.« Stefan Dietmar klatschte: »Na los, jetzt wackelt noch mit dem Schwanz. Na los …«
Sofort wurde Bermeter ernst. »Schäm dich. Eine Dame ist anwesend.« Er deutete in Katharinas Richtung und flüsterte: »Vornehm, sag ich euch. Die Tochter von unserm Schnitzerkönig Riemenschneider. O ja.« Die Männer sahen sich an, ihre Blicke schickten das bedeutungsvolle »O ja« hin und her, Florian wollte nicht nachstehen und feixte mit ihnen.
Katharina ballte die Fäuste. »Hört auf! Ihr seid in meinem Haus …« Der Protest erlahmte. »Bitte!«
Mit sich zufrieden, öffneten die Besucher ihre Rucksäcke. Bald lagen Würste und Schinken, Brote und Käse in der Tischmitte. Jetzt kam Hans Bermeter zur Hausfrau hinüber: »Na, was hab ich dir gesagt? Deine Suppe war nur eine dünne Vorspeise. Das hier ist die Hauptmahlzeit.« Er tätschelte ihre Wange. »Nun lach doch. Keiner meint irgendetwas böse. Du bist hier unter guten Freunden. Nun sei ein braves Mädchen und schenk uns ein!«
Die scharfen Klingen berührten sich beinah beim Schneiden der Wurst. Zugleich stachen die Spitzen zu. Die Männer aßen schnell, kauten, schluckten und eroberten sofort das nächste Stück. Ehe es im Schlund verschwand, spülten große Schlucke die Kehle frei. Das Brot, der Käse. Kein Streit entstand um die Bissen, und zufriedenes Rülpsen verlangsamte schließlich das Tempo.
»Nun erzählt.« Stefan Dietmar stieß seinen Dolch in die Tischplatte. »In Nürnberg wart ihr, hat der Schnappenspengler gesagt …«
»Erst in Forchheim«, unterbrach Florian. »Da haben wir die Pferde …« Er zögerte und sah zu Katharina hinüber. Bermeter half aus:
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