Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Riemenschneider

Riemenschneider

Titel: Riemenschneider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
Vom Netzwerk:
bald verzweifelt war die Verteidigung, doch unerbittlich rollte ein Angriff der grauhellen Leinenkittel, dicht gefolgt vom nächsten gegen die Tore.
Da schrien die Bürger auf der Wehrmauer, wiesen zum Schloss. Dort wehte eine neue Fahne, wehten die Farben Gelb, Braun und Grün. Florian Geyer und sein Schwarzer Haufe hatten das Herrenhaus eingenommen.
Donnerndes Krachen und Splittern, obwohl dreifach gesichert, zersplitterte Stück für Stück das Untere Tor, gleichzeitig schlug der Rammbock gegen die kleineren Pforten bei der Mühle und hinter der Kirche. Noch hielten die Balken. Wie lange noch?
Frauen umringten den Herrn. »Aufgeben! Bitte, wir flehen Euch an, gebt auf, um unserer Kinder willen.« Graf Ludwig von Helfenstein dachte an die Gemahlin, den eigenen Sohn und willigte ein. Ein Bürger stieg hinauf auf den Torturm, er schwenkte den Hut auf der langen Stange: »Friede! Friede!«
Ein Schuss wirbelte den Hut hoch in die Luft. Von unten schrie Jäcklein Rohrbach, der Anführer des Böckinger Haufens: »Die Bürger lassen wir leben. Die Waffenknechte aber sterben.«
Angst krallte sich um die Kehle des Grafen. »Zu den Pferden«, rief er seinen Getreuen zu. »Wir wagen einen Ausfall durchs Obere Tor!«
Von den eigenen Fußknechten aber wurden sie daran gehindert. »Ihr dürft uns nicht allein in der Scheiße zurücklassen.«
Die Tore brachen, auch das Obere Tor, und die furchtbare Flut ergoss sich durch die Straßen und Gassen. Vornehme und Reiter flohen zum erhöhten Kirchhof, wollten sich wehren. Graf Helfrich zog sich mit Ritter Dietrich und den engsten Freunden ins Gotteshaus zurück. Von einem Priester wurde ihm die versteckte Tür zur Wendeltreppe in den Turm aufgeschlossen. Nur ein Moment der Hoffnung blieb ihnen. Schnell nahm die wütende Meute den Kirchhof ein, erstach oder zerhackte jeden, den sie fand, und erbrach die schmale Tür. Nur ein Mann nach dem anderen konnte die Schnecke hinaufstürmen.
Ein einziges Opfer genügte. Das Schwert noch in der Brust, stürzte der Verteidiger rückwärts, blieb in der Enge stecken, und die Treppe war verstopft. Hoffnung!
Oben auf dem Kirchturm trat Ritter Dietrich an die Steinbrüstung. »Wir ergeben uns. 30 000 Gulden für unser Leben.«
Jäcklein Rohrbach spuckte in hohem Bogen aus. »Nicht für einen Karren voll Gold. Der Graf und alles, was Stiefel und Sporen trägt, müssen sterben.«
»Ihr wollt Christen sein …« Eine Kugel zerriss die Kehle des Ritters. Unten lachte Jäcklein und hieb dem schwarzhaarigen Flintenweib neben sich auf den Hintern. »Du schießt bald besser als alle Kerle!«
»Ich bin besser als alle.« Damit griff sie ihm zwischen die Beine. »Und heute ist Ostern, mein Liebster. Da suche ich mir was.« Mit gebleckten Zähnen schob sie sich nah an sein Gesicht. »Gib also gut acht auf deine Eier!« »Lass los, Hofmännin. Loslassen!« Er befreite sich. »Wart’s ab. Ich schenk dir heut noch genug.«
Oben entstand Geschrei. Die Bauern hatten das Hindernis in der Turmschnecke beseitigt und nach kurzem Kampf die Plattform des Turms eingenommen. Den noch mit dem Tod ringenden Vogt warfen sie über die Brüstung; wer von den anderen Rittern verwundet war und nicht allein hinabsteigen konnte, der folgte Dietrich von Weiler. Und unten trampelten die Hofmännin und ihr Jäcklein Rohrbach auf den zerbrochenen Leibern herum, bis auch das letzte Zucken aufhörte. Die Gefangenen wurden aus der Kirche geführt, an den Händen gefesselt und mit Stricken aneinandergebunden.
»Jetzt naht das jüngste Gericht!« Die Hofmännin ging die Reihe ab, sie spielte mit ihrem Dolch und wetzte die Klinge genüsslich am Stoff. »Was schneid ich mir zuerst ab?«
»Genug!« Der Befehl kam vom Eingang des Kirchhofs. Georg Metzler, der Oberbefehlshaber, stieg aus dem Sattel. »Keine Toten mehr! Führt die Gefangenen in ein festes Haus. Auch die Gräfin mit ihrem Kind. Dort bleiben sie unbehelligt, bis wir über ihr weiteres Schicksal entschieden haben.«
»Das sind unsere«, beschwerte sich Jäcklein Rohrbach. »Wir haben sie erwischt.«
»Schluss jetzt!«
Unter halblauten Flüchen gehorchte der Anführer des Böckinger Haufens.
Seit dem Angriff war kaum mehr als eine Stunde verstrichen. »Wir plündern! Leib und Leben haben wir eingesetzt, dafür gehört uns die ganze Stadt mit allem, was drin ist.«
Wieder schritt der oberste Befehlshaber mit den Hauptleuten Florian Geyer und Wendel Hipler ein: »Mäßigung! Verschont die Häuser der Bürger. Sie sind nicht unsere

Weitere Kostenlose Bücher