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Riemenschneider

Riemenschneider

Titel: Riemenschneider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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Gegner.«
Der Schwarze Haufe des Junkers aus Giebelstadt kannte Disziplin, war auf den Namen seines kaum dreißig Jahre zählenden Führers Florian Geyer eingeschworen. Welchen Befehl er auch gab, die Männer befolgten ihn. »Nehmt nur die Häuser der Pfaffen und Oberen der Stadt.« Auch die Bauern des großen Hellen Haufens gaben sich damit zufrieden, und selbst die Böckinger rafften zunächst auch nur zusammen, was sie tragen konnten, doch ihrem Jäcklein und dessen Flintenweib war Beute allein nicht genug.
Während die obersten Führer noch im Schloss beratschlagten, wie mit der neu gewonnenen Macht umzugehen sei, welche nächsten Schritte folgen sollten, saßen Rohrbach, seine Hofmännin und die engsten Kumpane in der Mühle beieinander. »Rache! Lange genug sind unsere Buckel blutig geschlagen worden. Jetzt soll der Adel vor uns zittern.«
»Verrecken müssen sie!«
»Kein Gefangener kommt davon.«
Ohne Nachfrage, ohne Handzeichen, die Blicke genügten, und der Beschluss stand fest.
»Jetzt sofort!« Der Atem der Hofmännin ging rascher. »Ehe die frommen Hauptleute uns den Spaß verderben können.«
Der Graf und seine Getreuen wurden vor dem Untertor auf eine Wiese gezerrt, dort mussten sie sich im Kreis aufstellen. Mit einer Hand zog das Flintenweib die Gräfin an den Haaren wie eine Kuh hinter sich her, an ihrer anderen Hand hing das Kind, nur hin und wieder schleiften die Füßchen über das Gras.
Und mit genussvollem Ton verkündete der Anführer des Böckinger Haufens das Urteil: »Wir jagen euch durch die Gasse! Und zwar jeden von euch. Und zwar langsam, damit ihr es auch genießen könnt.« Die Hofmännin riss den Kopf der Gräfin hoch. »Und du darfst beim Tanz zusehen.«
»Erbarmen. So habt doch Erbarmen!«
»Ich kenn das Wort nicht.« Die Zungenspitze leckte die Vorderzähne. »Aber sag’s ihm, vielleicht versteht er, was du meinst.«
Gräfin von Helfenstein, die habsburgische Kaisertochter, nahm ihren Sohn und beide knieten vor Jäcklein Rohrbach nieder. »Nimm dem Jungen nicht den Vater. Verschone meinen Gatten!«
Mit der Stiefelspitze hob er ihr Kinn, lachte, ein kurzer Tritt, und die Gräfin schlug rückwärts ins Gras. Einer der Kumpane stichelte mit dem Spieß gegen die Brust des zweijährigen Kindes, als wollte er es kitzeln. »Nun lach mal. Nun lach schon!« Blut färbte das Röckchen, vor Schmerz schrie der Kleine auf.
»Das Maul soll er halten«, verlangte Jäcklein, »sonst stört er die Feier.« Angstvoll presste die Mutter ihr Kind an sich, versuchte das Weinen zu dämpfen.
Die Bauern bildeten eine Gasse, jeder hielt den Spieß bereit. »Lasst euch Zeit«, ermahnte Jäcklein. »Nicht gleich in den Hals oder in die Brust.«
Das erste Opfer, ein Knappe, musste den Weg in die Klingen gehen. Und sie stachen auf ihn ein … fünf, sechs Schritte, furchtbare Schritte bis zum Tod … Sein Herr folgte ihm, starb erst, nachdem er, todwund, auf dem Bauch noch eine letzte Strecke kriechen musste.
Jäcklein Rohrbach, der Zeremonienmeister, kündete mit glockenschöner Stimme den Herrn an: »Und hier naht Seine Gnaden, Graf Ludwig Helfrich von Helfenstein.« Eine große Armbewegung. »Musik!«
Gleich ertönte eine lustige Weise, der Spielmann des Haufens schwenkte im Rhythmus den Zinken, so tänzelte er vor dem Adligen her bis an die Gasse. Und während der Graf unter den wütenden Stichen zusammenbrach, hüpfte und sprang die Melodie dazu, jubelte hell, als Hände und Füße nicht mehr zappelten.
Mehr als zwanzig Leben verendeten in den Spießen. Kaum waren alle Opfer durch die Gasse gejagt worden, als ihre Mörder über die Leichname herfielen. Sie zogen ihnen die Mäntel und Röcke, die Stiefel, Hosen und Hemden aus. Jäcklein Rohrbach kleidete sich mit dem Koller und der damastenen Schaube des Ludwig von Helfenstein und stolzierte vor der Gräfin auf und ab. »Nun, wie gefalle ich Euch? Bin ich nicht schöner als Euer Gatte.«
Die Witwe beachtete ihn nicht, sie starrte an ihm vorbei, dann schlug sie entsetzt die Hände vors Gesicht. Leicht entrüstet folgte der Anführer ihrem Blick … und vergaß, den Mund zu schließen.
Sein Flintenweib kniete über dem nackten Leichnam des Grafen. Mit dem Messer stach sie ihm seitlich in den Bauch und zog einen halbrunden Schnitt. Fett quoll heraus. »So hab ich’s gern, du Schelm!« Die Hofmännin hockte sich breitbeinig mit aufgestellten Knien neben den Körper, schöpfte mit der Hand das Fett und schmierte sich damit sorgfältig die Stiefel ein, nahm

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