Riemenschneider
wieder und wieder, bis das Leder glänzte. Jetzt nahm sie den Liebhaber wahr. »Das hab ich mir immer schon gewünscht, mit ’nem feinen Herrn mir die Stiefel wichsen.«
Erst stieß Jäcklein Rohrbach nur Grunzlaute aus, dann leckte er die Lippen und feixte: »Das wird eine Nacht.«
Neben ihm erbrach sich die Gräfin. Sofort schlug er ihr in den Nacken. »Aber, aber. Wo bleibt der Anstand?« Sein Scherz löste Gelächter bei den umstehenden Freunden aus. Sie alle hatten sich mit den Gewändern der Toten geschmückt und vollführten vor der Hofmännin eine Parade; einige senkten ihre Spieße, auf deren Spitzen sie Haare und Kopfhaut der Getöteten trugen, und grüßten das Flintenweib in vornehmster Art.
»Hier stinkt es!« Die Hofmännin sprang auf. »Ich hasse Adelskotze.« Ihrem Jäcklein befahl sie, einen der Mistwagen aus der Stadt herholen zu lassen. In wenigen Schritten war sie bei der Gräfin, nahm ihr erst Ringe, Ketten und Broschen ab, um ihr dann mit rohen Griffen die Kleider vom Leibe zu fetzen. Wagen und Fuhrmann waren zur Stelle. Jäcklein Rohrbach packte mit einem Kumpan die nackte Frau, setzte sie auf den Mist, den verwundeten Sohn warf er hinterher.
Seine Hofmännin stand neben dem angeschirrten Ochsen, die Hand schon erhoben, triumphierte sie zu der gedemütigten Frau hinauf: »Siehst du, Täubchen. In einem goldenen Wagen bist du in Weinsberg eingefahren, auf einem Karren voller Scheiße fährst du wieder raus.« Sie hieb dem Ochsen auf den Hintern. Das Gefährt ruckte an, holperte zur Straße nach Heilbronn hinüber.
Spät erst erfuhren die Obersten des Bauernrates vom Blutbad auf der Wiese am Unteren Tor. Sie stellten Jäcklein Rohrbach zur Rede, der aber spottete: »Ihr feigen Memmen wollt reden, wollt Artikel aufsetzen und schafft keine Tatsachen.« Er blähte die Brust. »Ihr habt sogar Mitleid mit diesen Blutsaugern. Weil heute ein bisschen von ihrem Saft vergossen wurde, wollt ihr mir Vorwürfe machen? Ich bin der Einzige, der wirklich Ernst macht. Der Helfensteiner hatte den Tod verdient. Und das bisschen Spaß dabei müsst ihr uns schon gönnen, sonst könnt ihr in Zukunft nicht mehr mit uns Böckingern rechnen. Sonst kämpfen wir auf eigene Faust und auf unsere Art.«
Wendel Hipler stützte die Stirn in die Hand. Der schlanke Jurist hatte neue Thesen formuliert, wollte Bauernschaft und Adel zusammenbringen, gemeinsam sollten sie an einer gerechten Lebensordnung arbeiten. Dieser Rohheit des Böckingers aber fühlte er sich nicht gewachsen. »Du hast Schaden angerichtet, und ich fürchte, er ist so groß, dass wir alle noch dafür büßen werden.«
Jäcklein Rohrbach lachte nur.
Florian Geyer erhob sich: »Ich habe mein Vaterhaus verlassen, weil ich an die Sache glaube.« Er schlug die Faust gegen den Harnisch. »Ja, ich bin der Meinung, alle festen Häuser sollen niederbrennen. Ein Edelmann darf nur noch eine Tür haben wie der Bauer auch. Die Klöster müssen abgeschafft werden und mit ihnen alle Rechte, die sie sich genommen haben. Der Mönch soll auf dem Felde hacken und jäten wie der Bauer. Das sind die Ziele, für die ich mit meiner Schwarzen Schar kämpfen will. Ich habe mich euch angeschlossen, weil ich glaubte, gemeinsam mit Freunden für eine neue Menschlichkeit zu streiten.« Er trat vor Jäcklein Rohrbach hin. »Ich sagte: mit Freunden! Nicht mit Bestien im Bauernrock.«
Die Hand des Böckingers fuhr zum Gürtel, doch zu langsam. Florian Geyer setzte ihm die Dolchspitze an die Kehle. »Beweg dich nicht. Sonst zeige ich dir, wie ich mit tollwütigen Hunden umgehe.«
Ruhig wandte sich der Junker an Hipler und den obersten Feldherrn des Hellen Haufens. »Nichts für ungut. Ich verlasse mit meinem Haufen das Heer. Gleich morgen in der Frühe. Mein Entschluss steht fest. Ich verlasse aber nicht unsere Sache. Wir werden voraus nach Franken ziehen, allein. Dort versuche ich euch den Weg nach Würzburg zu ebnen. Und hoffe euch …« Kalt blickte er den Böckinger an. » … ohne solche Kreaturen wiederzutreffen.«
Nur nicht zum Herrn aufschließen, Knappe Thoma hielt sein Pferd sorgsam eine halbe Länge hinter dem ritterlichen Ross. Seit sie vom Hauptquartier der Bauern in Gundelsheim aufgebrochen waren, hatte Götz von Berlichingen leise Verwünschungen ausgestoßen, dann wieder waren es Knurrlaute, die sich in wildes Schnaufen steigerten. Einen Tag Bedenkzeit, mehr nicht.
»Wir brauchen einen erfahrenen Kriegsmann an der Spitze.« Wendel Hipler versuchte zu schmeicheln. »Und wer ist
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