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Riemenschneider

Riemenschneider

Titel: Riemenschneider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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In seiner Trauer lächelte Til. »Mitten im Satz ist er gestorben. Und wie ich Georg kenne … wird er ihn dort oben zuerst zu Ende sprechen. Ganz sicher wird er das.«
Magdalena kam zur Werkbank, behutsam berührte sie seinen Handrücken, als er es zuließ, verstärkte sie den Druck.
Til deutete auf Nikodemus unter dem aufragenden Kreuz. »Lange habe ich gezögert, ehe ich ihm mein Gesicht gab. Doch heute hat es nachträglich Sinn erhalten. Der Ratsherr Nikodemus bringt Myrrhe und Aloe zur Salbung des Gekreuzigten …«
»Ich sehe mehr noch die liebevolle Trauer in seinem Gesicht.« Magdalena beugte sich vor und strich sanft die Wange aus dunklem graugrünem Sandstein. »Das ist die größere Gabe.«

29

D er Truchsess war nicht mit sich zufrieden. Zu spärlich war ihm das bisher Erreichte. Große Entscheidungsschlachten wollte er und musste sich mit Geplänkel aufhalten. Immer noch lebte die Christliche Vereinigung der Allgäuer und der Seebauern, schlechter noch, dieser Bund belebte sich wieder und wieder aufs Neue. Und die Fürsten drängten, verlangten Erfolge, forderten von ihm die rasche Befriedung Oberschwabens. Denn lauter und lauter wurden die Hilferufe aus Franken und Würzburg. Hart rieb der Truchsess Zeigefinger und Daumen gegeneinander. »Ein einziges Gefecht erst, das keines war. Und nur tausend Bauern habe ich zerquetscht.«
Seine Spione kamen, meldeten: »Bei Wurzach, dort ziehen sich die Haufen zusammen. Und dieses Mal sind deine eigenen Untertanen dabei.« Sofort ließ Georg Truchsess von Waldburg die Reiterei antraben, die Landsknechte den Trommlern und Pfeifern hinterhermarschieren. Als Wegzehrung verschlangen sie hier hundert schlecht bewaffnete Höfler, dort zwanzig …
Karfreitag dann waren sich die Heere nah genug, waren sich an Truppenstärke ebenbürtig. Wieder aber führte ein Pfarrer den Bauernhaufen, er ließ sich von dem schlauen Fuchs übertölpeln, nach kurzem Kampf musste er sich zurückziehen. Und am Abend zählte der Jörg grimmig: »Nur vierzig erschlagen, nur hundert ersäuft … Das war kein guter Tag.«
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Ostersonntag. Hoch auf der Stange schwankte ein Hut vor dem Untertor von Weinsberg. Einer der beiden Herolde schrie hinauf zu den Schießscharten. »Öffnet sofort Schloss und Stadt! Der Helle Christliche Haufe wartet nicht lange! Und wollt ihr euch weigern, so bitten wir euch in Gottes Namen, schickt Weib und Kind hinaus, so lange noch Zeit ist. Denn Schloss und Stadt werden fallen, und niemand wird dann verschont werden!«
In der Frühe hatte Graf Ludwig Helfrich von Helfenstein seine Gemahlin, die Tochter des verstorbenen Kaisers Maximilian, beruhigt. »Kein Ackerwurm wird die Mauern heraufkriechen. Sei unbesorgt, meine Liebe.« Er hatte dem kleinen Sohn einen liebevollen Klaps auf den Hintern gegeben und war trotz aller Vorwarnungen mit seinen Getreuen hinunter in die Stadt zur Kirche geritten, um das Sakrament zu empfangen.
Kaum aber war das Läuten verklungen, als sich auf der Höhe gegenüber von Weinsberg die ersten Bauernhaufen zeigten, von Herzschlag zu Herzschlag mehr wurden und inzwischen zu einem riesigen Heer angewachsen waren.
Jetzt schwankte der Hut auf der Stange. Zwei Wachen rannten zu ihrem Beschützer. »Was sollen wir den Unterhändlern antworten?«
»Ich werde diesen Ackerwürmern selbst Bescheid geben.«
Doch sein Vogt, Ritter Dietrich von Weiler, wartete nicht, er wusste, wie mit solchen Rossmucken umzugehen war. Die Schützen an den Scharten erhielten Befehl. Büchsen knallten. Im Kugelhagel flohen die Herolde zurück. Einer von ihnen brach zusammen, und der Kamerad schleppte ihn mit sich. Oben auf der Wehrmauer lachte Ritter Dietrich und rief den Schützen zu: »Seht ihr, Freunde, so muss es sein. Die Bauern rennen davon, und wir sengen ihnen den Arsch.«
Bewegung entstand auf der Höhe gegenüber der Stadt.
Der Bürgermeister von Weinsberg sah es mit Besorgnis. »Sollen wir das große Tor nicht stärker verbarrikadieren und genug Jauchefässer und Mist oben auf den Wehrturm schaffen?«
»Hab Vertrauen! Die Bauern machen nicht Ernst.« Graf Ludwig tätschelte ihm die Wange. »Außerdem erwarten wir ein starkes Reiteraufgebot. Jeden Augenblick kann es hier eintreffen, und dafür muss das Tor schnell zu öffnen sein.«
Hifthörner gellten. Wie ein mächtiger Strom wälzte sich das Heer in drei Abteilungen vom Berg hinab in die Senke, umspülte mit Geschrei den steinernen Stadtring, leckte, züngelte an den Mauern der Burg hinauf.
Wild … tapfer …

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