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Riemenschneider

Riemenschneider

Titel: Riemenschneider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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winkte mit hochrotem Kopf, versuchte den Vorsitzenden auf sich aufmerksam zu machen. Und erleichtert, nicht selbst eine erste Stellungnahme abgeben zu müssen, erteilte der Ratsobere dem erfahren alten Fuchs das Wort.
»Werte Kollegen!« Seine weite Armgeste umfasste Freunde und Gegner. »Wir müssen wachsamer sein. Da draußen hat sich das Leben verändert. Und die neue Zeit fordert von uns eine andere Politik. Fürstbischof Konrad hat sich über Nacht nicht in ein blutgieriges …« Er rang nach Atem, seine Lippen formten Worte, doch die Stimme fehlte, stumm führte Georg Suppan seine Rede fort, jäh blieb der halb geöffnete Mund stehen, das Licht in den Augen brach. Die füllige Gestalt fiel vornüber, schlug gegen eine Sessellehne und sank zwischen den Stühlen zu Boden.
Erneutes Entsetzen griff nach den Ratsherren, lähmte sie. Nur Til und Martin Cronthal bemühten sich gleich um den Freund, sie schafften Platz, knieten bei ihm, öffneten sein Wams. Til legte das Ohr auf die schweißnasse Brust, doch alles in ihr war still. Schwer richtete er sich auf, ein langer letzter Blick, er nahm das Bild in sein Herz, dann zwang er sich und informierte die Versammlung: »Tot. Unser Freund ist tot.«
Stimmen drangen vom Flur in den Saal, sie wurden lauter, heftiger, eiliges Laufen näherte sich. Vor der Flügeltür entstand Gerangel, schließlich wurde sie aufgerissen. Zwei Männer drängten den Saaldiener rückwärts in den Raum. »Zutritt ist nur den Ratsmitgliedern erlaubt … Nur den Ratsmitgliedern!«
»Aus dem Weg!« Wütend stieß der Kaufmann den Zerberus beiseite, dann richtete er notdürftig den verrutschten Kragen. Auch sein Begleiter zog die Schaube wieder hoch über die Schultern. »Entschuldigt unser Eindringen.« Der Kaufmann ging einige Schritte auf den Tisch des Bürgermeisters zu. »In der Stadt wird erzählt, dass der Fürst im Katzenwicker eine Todesfalle für uns Bürger errichtet hat. Dort sollen wir niedergemacht werden. Der Befehl dazu ist längst ergangen …«
Martin Cronthal erhob sich. »Wieder ist das Gerücht schneller als wir«, flüsterte er Til zu.
Der Kaufmann drohte mit dem Finger in die Runde. » … aber Ihr sauberen Herren und auch die Viertelmeister, Ihr steckt mit dem Bischof unter einer Decke und habt Euch verpflichtet, den Mund zu halten. Ihr Feiglinge, Ihr …«
»Schweig!«, donnerte Bürgermeister Heyssner. »Schweig, sonst lasse ich dich und deinen Freund ins Loch werfen!« Er deutete auf den freien Raum zwischen den Sesseln. »Wir haben einen Toten unter uns. Soeben ist unser Kollege Georg Suppan verstorben. Erweisen wir ihm die Ehre und mäßigen uns.«
Leise gab er Befehl, den Stadtphysikus zu verständigen, und wartete, bis Meister Til mit dem Stadtschreiber und einigen Kollegen den Leichnam im hinteren Teil des Saales niedergelegt hatte, dann erst wandte er sich an den Kaufmann und dessen Begleiter: »Auch der Rat hat vorhin zum ersten Mal von dieser Angelegenheit Kenntnis erhalten, und wir sind, bei Gott, ebenso entrüstet, wie ihr es seid. Geht heim, ich verbürge mich dafür, dass wir ohne Zögern der Sache nachgehen.«
Der Kaufmann gab sich fürs Erste zufrieden, dennoch blieb das Misstrauen: »Glaubt nur nicht, dass Ihr ungestraft Schindluder mit der Bürgerschaft treiben könnt. Von jetzt an sieht jeder in Würzburg Euch auf die Finger. Gebt also nur acht, dass kein Judasgeld daran klebt.« Auf dem Absatz kehrte er um und verließ harten Schritts den Saal.
Wenig später war der Beschluss einstimmig gefasst. Martin Cronthal suchte mit zwei Ratsherren unverzüglich das Kapitelhaus auf. Kaum hörten die Domherren von den Vorwürfen, als sie entsetzt die Hände rangen und beteuerten: »Nichts von alledem entspricht der Wahrheit!« Sie beklagten die infame Unterstellung, gingen aber gleich dazu über, dem Stadtrat selbst Versäumnisse vorzuwerfen.
»So kommen wir nicht weiter«, beendete der Stadtschreiber schroff das Gespräch und wandte sich mit den Kollegen zum Gehen. Er war schon an der Tür, als der Vorsitzende des Domkapitels anbot: »Wir sind bereit, den Katzenwicker morgen oder übermorgen aufzuschließen. Dann könnt Ihr Euch selbst überzeugen.«
Darauf gab Martin Cronthal keine Antwort. Draußen nickte er grimmig. »Morgen oder übermorgen? Womöglich verlässt dann keiner von uns mehr lebend den Katzenwicker.«
Die Abordnung eilte über den Main, erreichte schwer atmend oben die Burg. Im Vorzimmer des Hohen Herrn stellte Martin Cronthal erneut die Frage, und

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