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Riemenschneider

Riemenschneider

Titel: Riemenschneider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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Kleider schon.«
Die Überraschung war gelungen, und voller Genuss hatten die Männer den Speckpfannkuchen in sich hineingestopft. Vom Dom schlug die hellere Glocke zweimal. Noch eine halbe Stunde bis zum Einritt der Sieger. Til erhob sich: »Wir dürfen unseren Hohen Herrn nicht warten lassen. Rupert und Tobias, denkt daran, ihr müsst zum Rennweg.«
Im Hof drückte Rupert seine Frau behutsam an den Schultern. »Wir könnten dann bald auch wieder zurück in unsere Wohnung unterm Dach beim Stadtschreiber?« Er sah ihr Stirnrunzeln. »Ich mein, sobald du es möchtest.«
Magdalena strich ihm dieWange. »Wir sprechen morgen drüber.« Sie winkte den Söhnen undTobias. »Stellt euch alle weit nach hinten. Dann sehe ich euch besser.« Dicht trat sie vorTil hin, hob das Gesicht und berührte ihn mit dem Blick. »Ihr auch, Herr. Haltet euch möglichst hinter den anderen.«
Er lächelte leise. »Bei meiner Länge? Egal, wo ich mich hinstelle, verstecken kann ich mich nicht. Ich will es auch nicht.« »Ihr seid eben ein Turm«, flüsterte sie. »Mein Turm, zu dem ich gerne schaue.«
Trompeten erschallten auf der Mainbrücke. Vier Bläser stießen ins Horn, verkündeten Würzburg und allen Bewohnern die Ankunft des Truchsess’, das Nahen der Fürsten; strahlend wurden die Klänge, als der Hirte und Vater des Hochstifts sein Ross über den Fluss lenkte. Noch ein letzter Halt. Vor den Herren sprengten Reiter in die Stadt, besetzten alle Straßen und Gassen; im Laufschritt, die Spieße vorgehalten, stürmten ihnen Fußknechte nach, bildeten Stachelketten um die versammelten Männer am Dom, auf dem Judenplatz und am Rennweg; zur gleichen Zeit bezogen außerhalb der Stadtmauer an jedem Tor, jeder Pforte schwer bewaffnete Landsknechte ihre Posten. Es gab kein Entrinnen mehr.
Erneut ließen die Bläser ihre Trompeten schmettern. Angeführt mit hellem Klang und im Strahlen der Morgensonne, trabten die Sieger von der Brücke am Rathaus vorbei. Frauen und Kinder säumten die Straße, doch kein Jubel, kein Winken, nur hier und da hob sich eine Hand, bewegten sich Lippen, in den wehen Blicken stand die Not der durchlebten Wochen, flackerte neue Angst vor der Ungewissheit.
Magdalena hatte sich nahe den Domstufen zwischen die Frauen gedrängt, dort, wo sonst Buden der Händler standen, wo neben Kerzen und Gewürzen auch Honigmandeln feilgeboten wurden, dort waren die Bürger eingekesselt worden.
Meister Til wartete vorn im Kreis der Ratsherren, sein Barett überragte alle anderen Kopfbedeckungen. »Wirklich ein Turm«, seufzte sie, »aber heute wünschte ich, er wäre nicht ganz so hoch.« Magdalena suchte und entdeckte die drei Rotschöpfe ganz in der Nähe. Ihre Zöglinge von früher hatten sich hinter vielen Rücken postiert. »Wenigstens hört ihr noch auf mich, wenn’s drauf ankommt.«
Sie sah den Herren entgegen, versuchte in ihren Gesichtern zu lesen, fand keinen Zorn, nur Gleichmut, beinah gelangweilte Mienen. Den Ausdruck der Augen vermochte sie nicht zu deuten: Waren es Kälte oder Spott oder eine Mischung von beidem? Nein, dachte Magdalena und spürte einen Schauer, sie verachten uns, das ist es.
Die Vornehmen zügelten ihre Rösser und hielten auf gleicher Höhe vor den Bürgern an. Sofort verstärkten Landsknechte an dieser Stelle zur Sicherheit mit einer zweiten Reihe die Kette. Auf ein Handzeichen des Fürstbischofs hin ließ Georg Truchsess von Waldburg sein Pferd einige Schritte nach vorn machen und entrollte ein Pergament.
»Ihr Männer von Würzburg! So vernehmt und gehorcht. Eure Bitten und Euer Flehen sind erhört worden. Es ist der allergnädigsten Herren und Fürsten wie auch seiner kaiserlichen Majestät obersten Feldhauptmanns Meinung, euch zu Gnaden und Ungnaden wieder anzunehmen …«
Magdalena beschattete die Augen. Aus der Richtung des Kapitelhauses eilten mit wehenden Kutten einige Domherren und scharten sich seitlich hinter dem Fürstbischof an einer Hausecke zusammen. »Was wollen die hier?« Zu mehr kam sie nicht, die harte Stimme des Truchsesses riss sie aus den Gedanken.
» … dass jede Herdstellezehn Gulden als Sühne zu entrichten hat … dass kein Bürger mehr ohne Erlaubnis seines allergnädigsten Fürstbischofs eine Waffe tragen darf … dass die Bürger von Würzburg dem allergnädigsten Herrn und dem Kapitel von Neuem Erbhuldigung schwören müssen …«
Alles wird gut, Magdalena faltete die Hände, wir müssen nur die Bedingungen erfüllen, dann geht das Leben weiter.
» … denn wir sind

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