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Riemenschneider

Riemenschneider

Titel: Riemenschneider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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hergekommen, um Friede und Recht zu bringen oder …« Der Truchsess reckte das bärtige Kinn, schneidender wurde die Stimme: » … oder deretwegen das Blut zu vergießen!«
Eine Sturmböe warf die mehr als dreihundert eingekesselten Männer einige Schritte zurück, gleich wurden sie von den langen Spießen aufgehalten und bedroht.
»Es sollen vortreten: Bürgermeister Philipp Heyssner, Stadtschreiber Martin Cronthal, der gesamte Rat, die Viertelmeister, die Rechenmeister …«
Magdalena umklammerte ihn mit dem Blick, konnte ihn aber nicht schirmen, nicht verstecken. Gemeinsam mit den anderen Aufgerufenen ging Meister Til bis vor die Absperrung, gemeinsam mit ihnen sank er auf die Knie, beugte den Rücken, bis seine Stirn den Boden berührte. Aus dem Chor glaubte sie seine Stimme herauszuhören, und weil sie sonst keine Hilfe geben konnte, wiederholte sie jeden Satz: »Im Namen Gottes bitten wir um Gnade … Bitten wir um Verzeihung … Übt Milde mit uns, Ihr Herren und Fürsten … Habt Erbarmen, Ihr allergnädigster Hoher Fürst mit Euren Untertanen …«
Erneut verlas der Truchsess einige Namen. Kaum waren diese Männer vorgetreten, streckte er die Faust zum Himmel. Und aus dem wartenden Trupp lösten sich drei Wölfe, rot das Wams, rot die engen Hosen, und über dem Kopf trugen sie rote Masken, in den Sehschlitzen glühten Augen, in der Maulöffnung zeigten sich schwärzliche Zahnstummel. Und ein jeder hatte sich mit dem breiten Schwert gegürtet. Und einem jeden Wolf folgten zwei schwarze Knechte, gedrungene Kerle, Stricke und angespitzte Stecken über den Schultern, sie schleiften leere Körbe hinter sich her.
Ein Aufschrei ging durch die am Rand wartenden Frauen und Kinder, dann pressten sie die Hände vor den Mund. Stille. Blicke suchten den Vater, den Ehemann, den Bruder … Magdalena presste die Hände an die Schläfen. Landsknechte öffneten eine Lücke und schlossen sie gleich wieder, nachdem die Scharfrichter das Rund betreten hatten.
»Du!« Der Finger des Truchsesses zeigte auf den zuletzt herausgerufenen Mann.
Magdalena kannte ihn nicht. »Wer ist das?« Die Nachbarin flüsterte: »Das ist dieser Jakob Kohl, der war Hauptmann bei den Bauern.«
Die Frauen hielten einander fest, als das Schwert in der Sonne aufblinkte und vollendete, die Blutfontäne aus dem Rumpf spritzte. Kaum hatten die Knechte den Kopf in den Korb geworfen, zeigte der Finger auf den nächsten … und den nächsten … Zum fünften Mal fuhr das »Du!« nieder.
»Der gehört zu den Leuten von diesem Hans Bermeter. Die kommen bestimmt alle dran.«
»Ich erinnere mich.« Magdalena trocknete der Mund aus. »Ich hab den Mann schon mal gesehen …« Sie schloss die Augen. Florian? O Heilige Mutter, lass ihn weit weg von hier sein. Mein Junge ist dumm, hat sich verführen lassen, aber schlecht ist er ganz sicher nicht. Bitte …
Ein Trompetenstoß schreckte sie auf. Vorn auf der Richtstätte lagen die fünf Hingerichteten in großen Blutlachen. Sorgfältig wischten die drei roten Wölfe ihre breiten Schwertblätter sauber. Georg Truchsess von Waldburg rief ihnen zu: »Gute Arbeit! Für heute soll es hier genug sein. Als Nächstes nehmen wir uns die Köpfe auf dem Judenplatz.«
Den Landsknechten befahl er: »Bringt diese Männer dort …« Nur eine verächtliche Geste mit der Hand hatte er für die immer noch im Staub knienden Ratsherren und Oberen der Stadt übrig. »Nein, schafft sie alle ins Rathaus! Haltet sie unter strengem Arrest. Sobald die erste Strafaktion beendet ist, werden die Fürsten und ich uns nach Beratung mit den Herren vom Domkapitel entscheiden, wer freikommt und wer zum Schloss hinaufgebracht wird.«
Mit einer leichten Verneigung lud der siegreiche Feldhauptmanndie hochwohlgeborenen Edlen von Heidelberg und Trier sowie den Hirten des Hochstifts, Fürstbischof Konrad, zu dem kleinen Ritt hinüber zum Judenplatz vor der Marienkapelle ein.
Die Landsknechte schrien, schlugen mit der flachen Seite ihrer Spieße zu, nach und nach formierten sich die Bürger, und angeführt vom Bürgermeister, dem Stadtschreiber und allen Ratsherren, setzte sich der Zug von mehr als dreihundert Männern langsam in Bewegung.
Magdalena hastete an den Hauswänden entlang, drängte sich durch die Frauen und Kinder, bis sie auf gleicher Höhe mit den Ratsherren war. Um die Gefangenen unterwegs auszuplündern, waren fünf der Bewacher von ihren Kumpanen in den Zug geschickt worden. Einer der Kerle befingerte gerade ihn, nahm den Gürtel an sich,

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