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Riemenschneider

Riemenschneider

Titel: Riemenschneider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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wurde gestoßen. Tobias stellte sich schützend vor ihn, doch gleich drei rissen den Altgesellen beiseite, dann wurde Rupert von den Männern gepackt. Gestern noch waren es Knechte beim Nachbarn, Händler auf dem Gemüsemarkt, Freunde und Bekannte, jetzt lieferten sie einen der Ihren aus, um nicht selbst zu sterben.
Magdalena presste beide Hände vor den Mund. Kein Gedanke mehr, Angst höhlte sie aus, verlangsamte die Zeit. Sie sah Rupert. Allein ging er die letzten Schritte. Der Henker wies ihm den Platz zu. Rupert fiel auf beide Knie. Ein Knecht nahm ihm das Halstuch ab, riss den Kittel an der Schulter auf und entblößte halb den Rücken. Die vielen Narben, die tiefen Löcher in der Haut. »Sie haben dich doch schon genug gequält«, stammelte sie tonlos. »Gibt es denn kein Erbarmen?«
Der Henker schwang das Schwert zurück … der Kopf blieb, kippte erst spät vom Rumpf und rollte noch ein quälendes Stück weit über den Boden.
Magdalena stand da, die Augen geweitet. Wie von fern hörte sie wieder dieses »Du!«. Langsam wandte sie sich ab, ging Schritt für Schritt über den Rennweg auf ein Haus zu. Dort lehnte sie sich an die Mauer, dachte: Wie kühl die Steine sind; dachte: Ich sollte mich setzen. Langsam rutschte sie zu Boden, zog die Beine an, ihre Stirn sank auf die Knie, dann schlang sie die Arme über den Kopf und verbarg sich vor dem Tag.
Irgendwann berührte eine Hand ihre Schulter. Magdalena sah auf, sah ins kummervolle Gesicht des Altgesellen. »Warum, Tobias? Warum nur?«
»Ich weiß es nicht.« Sein Kinn bebte. »Die Henker haben für heute Vormittag aufgehört, aber nur, weil ihnen der Arm lahm geworden ist. Komm, besser wir gehen hier weg.«
»Dich haben sie freigelassen?«
Tobias erschrak, beinah entschuldigend sagte er: »Andere auch. Wir dürfen die Stadt nicht verlassen. Verzeih … Ich wünschte so sehr, dass er jetzt neben mir wär und wir nach Hause könnten.«
Magdalena ließ sich von ihm aufhelfen. »Nicht nach Hause. Den Meister und die Söhne haben sie mit vielen Bürgern ins Rathaus gesperrt. Da müssen wir hin.«
Sie ging voran, ihr war kalt, trotz der Mittagshitze. Die neue Wirklichkeit hatte noch keinen Raum in ihr, und auf dem Weg vom Dom hinunter zum Grafeneckart musste sie häufig stehen bleiben und warten, bis Übelkeit und Schwindel nachließen. »Es geht schon, Tobias. Ich schaffe es schon.«
Frau Margaretha sah die Haushälterin des Bildschnitzers kommen und eilte ihr entgegen. »Um Gottes willen, was ist dir?«
»Ich … Sie haben Rupert …« Ohne das Wort auszusprechen, brach es den Damm. Tränen nässten die Wangen. Wie eine Ertrinkende klammerte sich Magdalena an die Gemahlin des Stadtschreibers, weinte und schluchzte. Margaretha ließ sie gewähren, streichelte den Rücken, bis das Zucken nachließ, der Atem ruhiger ging.
Gemurmel entstand, nahm zu: »Da kommt der Hofmeister des Bischofs!« Einer machte den andern aufmerksam. Sebastian Rotenhan näherte sich schnellen Schritts, in seinem Gefolge eilten einige Herren vom Kapitel mit wichtiger Miene. Ohne auf bange Fragen zu antworten, nicht einmal einen Blick verschwendeten sie an die Wartenden, betraten sie das Rathaus.
»Waren da bei den Domherren nicht der Paulus Schroter und auch Michel von Seinsheim?«
Magdalena rieb sich die Stirn. »Ich kenne die Herren nicht.«
»Sie sind auch nicht wichtig«, sagte die Gemahlin des Stadtschreibers mehr zu sich selbst. »Nicht an einem Tag wie heute. Mich wundert nur, warum sie zu den Gefangenen gehen?«
Die Frau vor ihr wandte sich halb um. »Sakramente? Meint Ihr, da drinnen wird auch gerichtet, und die Pfaffen sind gerufen worden …?«
»Sei still!« Gleich von drei Nachbarinnen wurde sie zum Schweigen gebracht.
Das Portal öffnete sich. An den Seiten postierten sich Landsknechte. Den Kopf gesenkt, schlich ein Mann heraus, kaum war er außer Reichweite der Spieße, rannte er, brachte sich in der wartenden Menge in Sicherheit. »Sie haben mich freigelassen«, keuchte er und konnte sein Glück kaum fassen. Der zweite Mann folgte, ein dritter … Hinter Magdalena schrie eine Frau: »Peter! Hier bin ich. Peter!« Die beiden fanden sich, umarmten sich, und ihr Glück schmerzte Magdalena in der Brust. Dann aber reckte auch sie die Arme. »Jörg! Barthel! Hans!«
Der Altgeselle drängte sich nach vorn und brachte die Söhne zu ihr. Die drei strahlten nicht, kein Lächeln, ihre Mienen waren bedrückt.
Magdalena fasste sich ans Herz, als müsste sie es festhalten, um die Frage

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